Europäische Menschenrechtskonvention durch Regierung außer Kraft gesetzt

„Wollt Ihr Menschenrechte oder Sicherheit?“ Die Briten haben sich entschieden: Sie wollen Sicherheit und verzichten dafür zum Teil auf die Menschenrechte. Allen voran ist David Blunkett, der britische Innenminister, davon überzeugt, daß Sicherheit nicht mit den Menschrechtskonventionen zu vereinbaren ist. Ein gestern vorgelegtes Gesetzespakt will er noch bis Ende der Woche erfolgreich durch das Unterhaus bringen. In diesem Rahmen hatte er bereits am Montag den nationalen Notstand erklärt und gestern den Artikel 5 der europäischen Menschrechtskonvention aufgehoben.

Laut dem Artikel 5 der europäischen Menschenrechtskonvention kann nur dann jemand eingesperrt werden, wenn ein reguläres Gerichtsverfahren durchlaufen worden ist. Nun sind nach der Aufhebung des Artikel 5 sind also demnach wieder Inhaftierungen ohne Anklage möglich. Das bestreitet Blunkett aber: „Niemand wird ohne Gerichtsverfahren eingesperrt.“ Diese Aussage implikiert aber ein Gerichtsverfahren, daß unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit und nur vor einem Richter gemacht werden kann. Solche Verfahren würden wohl nach Lage der Dinge kaum zu Freisprüchen wohl aber zu überstürzten und fehlerträchtigen Verurteilungen neigen. Blunkett begründet diese fragwürdigen Prozesse mit der Gefährdung der inneren Sicherheit: „Wir können kein öffentliches Verfahren anstrengen, weil die vorgelegten Beweise solcher Art sind, daß sie unserer Politik und unserer Sicherheit schaden.“

Es mutet seltsam an, daß Geheimhaltung und die Einschränkung der Menschenrechtskonvention der Sicherheit und damit der Sicherung demokratischer Staaten dienen kann. Demokratien leben von mündigen Bürgern und von dem gegenseitigen Vertrauen der Volksvertreter und dem Volk. Eine Politik, die die Rechte der Bürger immer mehr beschneidet und auf vielfältige Weise dem Volke Informationen in beträchtlichem Maße vorenthält, kann sich nicht mehr demokratisch nennen. Sie dient auch keineswegs der Sicherheit, sondern gefährdet diese vielmehr. Die Sicherheit eines demokratischen Staates ist auf das gegenseitige Vertrauen von mündigen Bürgern und dem Wortsinn nach wirklichen Volksvertretern angwiesen. Es gilt nicht zwischen Sicherheit und Freiheit abzuwegen, sondern die Freiheit im Sinne der Sicherheit zu stärken.

So will dann auch die Bürgerrechtsorganisation Liberty gegen das Vorgehen der britischen Regierung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Liberty-Direktor John Wadham wies auf den Alleingang der Briten hin. Kein anderes Land in Europa denke an eine dermaßen drastische Beschneidung der Menschenrechtskonvention.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 14. November 2001
 Kategorie: Nachricht
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