„Es richtig muffig, an der Seite lehnen zwei unansehnliche Gestalten mit der Bierbüchse in der einen und Zigarette in der anderen Hand. Der Boden ist schmutzig, ein Pennerpaar lungert in der Ecke herum und die Wände sind mit Graffiti beschmiert. Die Frau am Kiosk räumt gerade einige Scherben auf. Jetzt quatscht mich einer von hinten an, ob ich mal ’ne Mark hätte. Angewidert wende ich mich ab und beschleunige meinen Schritt. Nichts wie raus hier.“
Dieses Szenario gehört nun dank der 3-S-Initiative der Vergangengeit an. Nirgends mehr diese widerwärtigen Armen und Obdachlosen. Kein Penner oder Punk belästigt die Reisenden.
Der Bahnhof ist zur „Visitenkarte“ der Stadt geworden. Die drei „S“ stehen für Sauberkeit, Service und Sicherheit. Der BGS, die Polizei und der Security-Dienst laufen Streife, unterstützt von den Kollegen hinter dutzenden Überwachungskameras. Jetzt kann man endlich in Ruhe einkaufen und bahnfahren. So wirbt dann auch die Bahn:
Deutsche Bahn AG
„Der Bahnhof hat mehr zu bieten“ lernen wir von der Bahn. Was aber ist dieses Mehr? Dietmar Wischmeyer hat es treffend formuliert:
Um dieses von der Bahn tatsächlich angestrebte Ideal zu erreichen, hat die Bahn 1994 beschlossen die Aufenthaltsqualität in den Bahnhöfen zu verbessern. Seitdem werden große Teile der Bahnsteige und der Schalterhalle, sowie die meisten Durch- und Aufgänge videoüberwacht. Die Hausordnung verbietet explizit „Herumlungern bzw. Sitzen oder Liegen auf dem Boden“, „aggressives Betteln“ oder „übermäßigen Alkoholgenuß bzw. generell Drogenkonsum“.
Die Bahn eignet sich den ehemals öffentlichen Raum Bahnhof mehr und mehr zu ihrem Privatbesitz an. Dieser wird mit aggressiven und zum Teil diskriminierenden Mitteln verteidigt und von unliebsamen Personen gesäubert. Wer sich nicht zum Zweck der Bahnreise oder des Einkaufes im Bahnhof aufhält, hat nach Ansicht der Bahn dort nichts zu suchen. Obdachlosenverbände, wie die BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe) werfen der Bahn in diesem Zusammenhang die gezielte Vertreibung von Randgruppen vor.
Deshalb startete die BAG letzte Woche eine bundesweite Plakataktion gegen die Ausgrenzung und Vertreibung von Randgruppen aus deutschen Bahnhöfen unter dem Motto „Wer nicht konsumiert, muss raus“.
BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe)
Neben der bundesweiten Plakataktion an über 100 Standorten, gab man auch ein Rechtsgutachten in Auftrag. Dort wurde der auch nach der Privatisierung der Bahn AG immer noch gültige Status des Öffentlichen Raumes betont: „Die rechtliche Stellung der Bahnhöfe macht es nötig, dass sie für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich sind.“ Auf der Webseite der BAG-Initiative findet Ihr aktuelle Pressemitteilungen zum Stand der Aktion und die Plakate inklusive Bestellformular. Ihr könnt die Initiative „Wer nicht konsumiert, muss raus!“ auch finanziell unterstützen. Alle Infos dazu gibt es auf deren Internetseite.