Electronic Monitoring: Der elektronisch überwachte Hausarrest

Was ist Electronic Monitoring?


Electronic Monitoring ist der elektronisch überwachte Hausarrest. Er soll für dafür geeignete Straftäter eine Alternative zum geschlossenen Vollzug im Gefängnis darstellen. Die Personen verbüßen Ihre Haftstrafe stattdessen zu Hause und werden aber elektronisch überwacht. Möglich macht dies ein am Fussgelenk befestigter Sender, der durch Funkkontakt zu einem in der Wohnung installierten Modem über das Telefonnetz überprüfen lässt, wann sich die verbüssende Person innerhalb ihrer Wohnung befindet und wann sie diese verlässt. Dieses EM wird auch als EM der ersten Generation bezeichnet, bei der es um bloße Anwesenheitskontrolle geht. Die EM-Geräte der zweiten Generation ernöglichen bereits eine permanente oder punktuelle Aufenthalteskontrolle der Zielperson. Die EM-Geräte der dritten Generation, die sich vielfach noch oder schon im Teststadium befinden, sollen auch Interventionen seitens der Kontrolleure und Überwacher erlauben, wie zum Beispiel leichte Stromstöße bei Regelverletzungen.

Warum und seit wann wird Electronic Monitoring eingesetzt?


Electronic Monitoring wurde zuerst 1980 in den USA eingesetzt. Diese Form des Arrestes sollte die überfüllten Gefängnisse entlasten und helfen Kosten im Justizsektor zu sparen. Neben diesen ökonomischen wird Electronic Monitoring (EM) auch aus sozialen Gründen eingesetzt. Zum Beispiel wird in den Niederlanden bei längeren Freiheitsstrafen einige Zeit vor der Entlassung auf EM umgestellt, damit sich die betreffende Person wieder langsam, aber eben kontrolliert, an das Leben da draußen gewöhnen kann und ihm so später die Wiedereingliederung in die Gesellschaft leichter fällt. Insbesondere für Kleindeliquenten stellt EM nach Aussage seiner Befürworter eine viel sozialverträglichere Strafmaßnahme als der geschlossene Vollzug dar.

Natürlich wird EM auch vor allem seitens der Industrie, speziell der Überwachungs- und Sicherheitsbranch bewußt in den Vordergrund gestellt, so dass deren Lobby vor allem in den USA eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Einführung von EM 1980 gespielt hat.


Wie funktioniert Electronic Monitoring?


Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den gut dokumentierten 3-jährigen Pilotversuch in der Schweiz von 1999-2002. Das Konzept kann ohne weiteres repräsentativ für Systeme in anderen Ländern stehen. Die Technik stammt von der Securiton AG.

Der Arrestant oder die Arrestantin trägt am Fuss- oder Handgelenk eine elektronische Fessel. Das sabotagegeschützte Gelenkband wird rund um die Uhr getragen und ein integrierter Sender überträgt ein dauerndes Funksignal zu einer Empfangs- /Modem-Einheit , die ihrerseits am privaten Telefonanschluss des Straffälligen hängt. über diese Telefonleitung wird eine Zentrale laufend informiert, wann die zu überwachende Person – die da nur codiert erscheint – das Zuhause betritt, verlässt oder allenfalls die Ausrüstung manipuliert.

Das Computersystem der Alarmstelle kennt die vorgeschriebenen Ab- und Anwesenheitszeiten des Arrestanten und ob er sich für vorher abgesprochene Aktivitäten entfernen darf. Bei Abweichungen wird sofort eine Alarmmeldung ausgelöst, die den zuständigen Sozialmitarbeiter online, mittels Pager, Telefon oder Fax über die Unregelmässigkeiten orientiert. Daraufhin klärt der Behördenvertreter den Sachverhalt via Kontrollanruf oder direktvor Ort ab und stellt so sicher, dass die Strafe korrekt verbüsst wird.


Wo und wann wird Electronic Monitoring eingesetzt?


EM genießt weltweit immer größere Aufmerksamkeit vor allem wegen der Kostenersparnis, die man dadurch erreicht. In den Niederlanden wird EM als Alternative zu kurzen unbedingten Gefängnisstrafen (bis 12 Monate) eingesetzt. Zum Teil gelangt es auch schon als direkte Strafsanktion zum Einsatz. Bei längeren Freiheitsstrafen bildet es manchmal den letzten Teil der Vollzugsstufe, um dem Straftäter auf sein Leben in Freiheit kontrolliert vorzubereiten.

In Hessen testen die Behörden EM seit Mai 2000 als Kontrollinstrument von Bewährungsauflagen. Großbritannien griff bis vor kurzem zu EM anstelle von Untersuchungshaft oder Kautionszahlungen, ist aber wieder ausgestiegen. Jedoch wird dort EM ansatzweise bei polizeilichen Maßnahmen angewendet. Unter anderem setzen die Beamten EM bei einzelnen Hooligans ein. Über diese wird während des Fußballspiels eine Hausarrest verhängt, der durch EM kontrolliert und überwacht werden kann.

In Skandinavien geht es weniger darum, die Öffentlichkeit vor Diliquenten zu schützen, als vielmehr potentielle Opfer präventiv zu observieren, bzw. kann die betreffende Person im konkreten Gefahrenfall über EM geortet werden, indem sie den Sender aktiviert. Der Opferschutz unterscheidet sich vom klassischen EM zudem dadurch, daß es hier nicht um die Kontrolle der Anwesenheit an einem bestimmten Ort, sondern um die beliebige Bestimmung des Aufenthaltsortes geht. Der Ansatz des Opferschutzes wird auch in der Schweiz diskutiert. Dort werden zum Beispiel in Altenheimen und psychatrischen Anstalten Patienten aufenthaltsüberwacht. Wiederum um reine Anwesenheitskontrolle handelt es sich bei der Überwachung von Kindern auf Spielplätzen in England.

Das Pilotprojekt in der Schweiz


In einem dreijährigen Pilotversuch von 1999 bis 2002 in sechs Kantonen der Schweiz wurde Electronic Monitoring ausgiebig erprobt. EM wurde hier als (Vorzugs-)alternative zu kurzen Freiheitsstrafen getestet. Die technische Ausrüstung, die Informatik, der Alarmempfang, die Schulung der Strafvollzugsverantwortlichen und der Support für die technische Ausrüstung wurde durch Securiton und Securitas sichergestellt.

Der Pilotversuch sollte nachweisen, das EM zur Kostenreduktion, zur Verringerung von Prisonierungsschäden und zur Vermeidung von desozialisierenden Affekten nicht nur beitragen, sondern eine hervorragende Rolle spielen kann. Von 4000 Verurteilten wurden 200 Bewerber zum Aufnahmetest für das Programm bestellt, wovon wiederum 192 Personen den Test bestanden. Diese geringe Durchfallquote ist nicht zuletzt auf das selektive Vorgehen der Versuchsleitung bei der vorherigen Auswahl der Bewerber zurückzuführen, um schon hier positiv auf die Testergebnisse einzuwirken. Die Voraussetzungen, welche die Bewerber erfüllen mußten, waren folgende:

  • Länge der Strafe zwischen ein und zwölf Monate
  • keine Gemein- und Fluchtgefahr
  • Einverständnis der Verurteilten
  • Wohnung und Telefonanschluß
  • körperliche und geistige Gesundheit
  • Arbeits- oder Ausbildungsstelle (min 20h pro Woche)
  • Ausländer müssen einen gesicherten Aufenthaltsstatus nachweise
  • Kostenbeteiligung von bis zu 20,- SFr pro Tag
  • begleitendes Vollzugsprogramm

Die Kosten für jeden Teilnehmer beliefen sich pro Tag auf ca. 40,- SFr für das EM und zusätzlich 100-150 SFr für das Betreungspersonal. Jeder EM-Häftling hatte sich mehrmals am Tag telefonisch bei seinem Betreuer zu melden, bzw. kontrollierte der Betreuer den Deliquenten durch regelmäßige Hausbesuche. Jeder der 192 Personen verfügte über ein wöchentliches Freizeitquantum (meist am Wochenende), das sich bei guter Führung auch vergrößern konnte. Verstieß aber ein Teilnehmer gegen die Auflagen, so mußte er mit einer Verwarnung, der Kürzung oder Streichung von Freizeit oder der Androhung von normaler Haft rechnen.

Die Ergebnisse des Versuches dürften Mitte 2003 vorliegen.


Welche Vor- und Nachteile weist Electronic Monitoring auf?


Neben den bereits erwähnten Vorteilen von EM, der Kostenersparnis, die Vermeidung von Prisonierungsschäden bei den Straftätern, der Verhinderung desozialisierender Affekte und der vorbereitenden sozialen Eingliederung bei langen Freheitsstrafen, gibt es natürlich viele Fragen und Probleme, die EM aufwirft.

Die grundsätzliche Frage ist, inwieweit durch EM wesentliche Grundrechte der Menschen angegriffen werden und vor allem, ob sie hier in subtiler Art und Weise effektiv weiter eingeschränkt werden, als bei gewöhnlichem Vollzug. Ein zweiter, etwas konträrer Punkt ist das Problem, ob mit EM nicht eine Art elitäre Vollzusgvariante geschaffen wird, die insbesondere für sozial gut situierte Personen in Frage kommt. Weiterhin hängt die subjektiv empfundene Härte des EM nicht zuletzt von der Art der Wohnung ab, die der Häftling bewohnt. In einer schönen Villa läßt sich EM wahrscheinlich eher aushalten, als in einer 16 qm Plattenbauwohnung. Diese Art soziale Selektion der EM-Häftlinge kann desweiteren eine Stigmatisierung des Gefängnisaufenthaltes nach sich ziehen.

Der GAU, den sich Bürgerrechtsbewegungen vorstellen können, ist die Ausweitung von EM in Form einer totalen sozialen Kontrolle. Dies ist die Ansgt vor dem Net-Widening-Effekt. EM wird ja zum Teil heute schon nicht mehr nur als bloße Alternative, sondern auch als eigenständige Strafsanktion gesehen. Diese Tendenz des Net-Widening führt unter Umständen zur fraglichen Anpassung von Gerichtsurteilen in Anbetracht der EM-Möglichkeiten. Anbei eine Anektode, die auf das nicht zu vergessende Sicherheitsrisiko, daß EM als teil-offener Vollzug birgt. Einem Mann wurde die Sendeeinheit an sein vermeintlich linkes Bein befestigt. Bei einer Routine-Kontrolle fand man das Bein, das eigentlich eine Prothese war, neben dem Telefon, während der zu Überwachende gemütlich im Pub um die Ecke ein Bier trinken war.


Wie soll Electronic Monitoring zukünftig eingesetzt werden?


Es ist zu befürchten, das EM nicht nur den Weg des NET-Widening innerhalb des juristischen Bereichs von Straftaten nimmt, sondern auch Anwendung als beispielsweise polizeiliche Maßnahme findet, wie bei den Hooligans in England. Im Juni findet in Freiburg im Breisgau eine Konferenz statt, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit EM in Europa eine und welche Zukunft hat. Der britische Innenminister David Blunkett hatte im Februar diesen Jahres angekündigt, dass jugendliche Straftäter mittels elektronischer Erkennungsmarken zur Einhaltung von Ausgangssperren gezwungen werden sollen. Die Maßnahme soll Jugendliche zwischen 12 und 16 betreffen, die schwerer Straftaten verdächtigt werden und auf Kaution aus der Untersuchungshaft freigelassen wurden. Dadurch sollen sie in der Zeit bis bis zum Beginn ihres Prozesses von der Ausführung weiterer Delikte abgehalten werden.

Letztes Jahr entschied das Landgericht Frankfurt am Main, dass hierzulande die elektronische Fußfessel weder gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verstoße, noch dessen Recht auf Freiheit der Person unzulässig einschränke. Mit der letzten Freitag live gesendeten Einpflanzung eines VeriChips in die Mitglieder der US-Familie Jacobs hat die Vision einer totalen Überwachung durch EM-Methoden neue Nahrung bekommen. Die Industrie wittert nicht nur im sicherheitstechnischen Bereich, sondern auch im medizinischen Sektor Beute, sprich Leute die sich überwachen lassen wollen, wie zum Beispiel chronisch Kranke, deren Arzt somit immer auf dem Laufenden ist und bei Bedarf eingreifen kann. Wie weit es dann noch bis zu einer wirklich allumfassenden Kontrolle und Überwachung ist, möchte man lieber nicht wissen.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 7. Mai 2002
 Kategorie: Bericht
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