Mit Sicherheit in München – Ein Rundgang in der Innenstadt (Teil 1)

Dieser Artikel entstand unter Mitarbeit von Johannes Volker Schmitt.

15.05.02: Bei prächtigem Maiwetter treffen sich ein knappes Dutzend Neugierige und Bekannte der Künstlerin Pia Lanzinger im Kunstverein, laben sich noch einmal an kühlen Getränken, während einleitende Worte zum Thema Überwachung im Internet sowie der Teil einer Folge von „Isar 12“ den Auftakt zu diesem ganz besonderen thematischen Rundgang bilden.

Pia macht die Gruppe zunächst mit ihrer grundsätzlichen Einschätzung der Situation vertraut: Einerseits: Wer könne von sich eigentlich behaupten, dass er sich keine sichere Stadt wünsche, wer wolle auf diese positiven Aspekte von Sicherheit wohl schon freiwillig verzichten?

<psicher" oder "Sicherheit" innerhalb der Gruppe fallen: Teils völlig unwillkürlich, so, wie wir "Sicherheit" vielleicht mehrmals täglich verwenden, teils aber als bewusste ironische Pointe.

Andererseits steht fest: Der Begriff hat eine Konnotation, allerspätestens seit dem elften September. Er ist zum Unwort geworden in den Ohren derer, die sich hier versammelt haben. Die Beispiele sind ungezählt. Selbst in der Kommunalwahl grinsten die Münchner Spitzenkandidaten vertrauenserweckend von den Wahlplakaten, die schlichtweg „mehr Sicherheit“ versprachen. Und diese eigentlich doch so dürftige Botschaft wurde als spritziger Slogan verkauft.

Assoziative Bilder und Ausschnitte von Bildern zum Thema Sicherheit zieren in Form von Puzzleteilen den von Pia gestalteten Stadtplan im Kunstverein, der im Laufe der Ausstellung übrigens noch weiter ausgefüllt werden soll.

Die Ausstellung von Pia LanzingerPia Lanzinger – Eine Sonderermittlung: Die Ausstellung


Dabei sollte man festhalten, dass die Wohlstandsfeste München doch schon die zweitsicherste Grosstadt Europas ist, sie rangiert gleich hinter Stuttgart (wobei die württembergische Metropole doch ohnehin bieder und erst recht keine wirkliche Großstadt ist).

Und jetzt, so Pia, werde also künstlich Angst geschürt, um Anti-Terrorgesetze durchzudrücken und um Freiheit und Datenschutz weiter einzuschränken. Denn diese Güter werden ja ständig missbraucht, geradezu schamlos, von unmündigen Bürgern.

Wir stehen im Hofgarten, sicherlich (!) einer der schönsten Flecken der Stadt, wäre da nicht…
Da wo sich ehemals ein Lustgarten befand, dräut heute ein eklektischer Klotz:

Der Eingang zur bayerischen StaatskanzleiDer Eingang zur Staatskanzlei und das Lesegerät für Magnetkarten, das den Eingang zum Bereich des Ministerpräsidenten sichert.

Die Staatskanzlei, 1992 errichtet, laut Pia entworfen von einem Architektenbüro, das nie wieder einen Auftrag erhielt. Seitenflügel aus Stahl und Glas, in der Mitte das wiederaufgebaute Kuppelgebäude des ehemaligen Königlichen Armeemuseums, bis zum Wideraufbau die letzte Kriegsruine der Stadt, wie der übrigens sehr freundliche Sicherheitsbeauftragte Herr E. zu berichten weiß. Der Bau soll Transparenz, Umsichtigkeit und demokratische Offenheit verkörpern, wie es sich im Kurzführer nachlesen lässt. Pia kommentiert nicht ohne Bitterkeit, dass diese offenbar sehr einseitig verstanden werde. Von innen erschließt sich der Blick bis weit über den oberen Hofgarten, von außen erahnt man lediglich, welch wichtige Entscheidungen da drinnen getroffen werden, von unnahbaren Herren in dunklen Anzügen. Die arglosen Spaziergänger wagen sich nicht mehr an den Bau heran, kein Wunder, wenn man bedenkt, mit wie vielen Überwachungskameras selbst die Westfassade gespickt ist.

Kameras in der bayerischen StaatskanzleiDer Aufzug in der Staatskanzlei, die Platik „Schau“ und Überwachungskameras vor dem Büro des Ministerpräsidenten.

Der Haupteingang der Ostfassade mit der Anfahrt für die hohen Gäste gleicht einem Tresor. Die Führung durch Herrn E. ist aufschlussreich, wenn auch irgendeine nicht näher zu beschreibende Nervosität in der Luft liegt.

Wir werden sogar in den Kabinettsaal gebeten, ein nicht eben hoher Raum mit elliptischem Nussbeintisch, der, wenn auch nicht absolut, so doch ziemlich abhörsicher zu sein pflegt. Hier „regiert“, vor zudringlichen Blicken gefeit, jeden Dienstag das Kabinett des Kandidaten, selbstredend unter Einhaltung einer strengen Sitzordnung. Traditionen werden eben gepflegt, weil sie Traditionen sind.

Auch ein erwähnenswertes Detail: Im Hochparterre steht eine Plastik der Regensburger Künstlerin Christine Sabel. Sie trägt den Namen „Schau“ und windet sich spiralförmig hin zu einer Art Visier, das auf irgendeinen fernen Punkt im Hofgarten gerichtet ist. Zufällig steht dort neuerdings eine Parkbank. Ob wohl irgendjemand hier drin sich einen Spaß daraus macht und einen lustwandelnden Bürger durch dieses kreative Instrumentarium dabei beobachtet, wie er seine Brotzeit hält?

Auf dem Weg in den KabinettsaalÜberwachungskameras vor dem Eingang zum Kabinettsaal

Unsere nächste Station: Das amerikanische Generalkonsulat in der Königinstrasse. Schade eigentlich, dass das Panzerspähfahrzeug mit Wasserwerferfunktion abgerückt worden ist. Es war aber, und man weiß nicht, ob diese Tatsache einen eher beruhigen oder beunruhigen soll, ohnehin nur eine leere Drohgebärde, niemand besaß den Schlüssel und hätte die Technik dieses Gefährtes beherrscht. Ein Polizeibeamter, der gelangweilt vor dem hässlichen Betongebäude patrouilliert, ist nicht sonderlich begeistert von der Idee, uns ein paar Fragen zu beantworten. Alles, was er mühsam hervorbringt ist: „Ganz normal – Statist“.

Das US-amerikanische Generalkonsulat in MünchenDas US-amerikanische Generalkonsulat und einige Kameras

Wiederum am Rande zu notieren: Hinter dem Konsulat steht noch ein altes, halb verfallenes Gebäude, direkt daneben liegt ein verwunschener Spielplatz mit verwildertem Teich. Hier, wo es merkwürdig still ist, scheint niemand niemanden zu überwachen.
Wie sich der Rundgang fortsetzt, ist nächste Woche im zweiten Teil des Berichts nachzulesen.

Die Ausstellung von Pia Lanzinger ist vom 26. April bis 1. September im Kunstverein München in der Galeriestrasse am Odeonsplatz zu sehen. Die Führungen finden an folgenden Terminen im Juni und Juli 2002 statt:

  • 26. Juni
  • 10. Juli
  • 24. Juli

Die Führungen finden jeweils Mittochs 13.30 Uhr statt. Treffpunkt ist der Kunstverein München in der Galeriestrasse 4 am Odeonsplatz statt (U3/U6). Voranmeldungen per Tel.: (089) 221152 oder Fax: (089) 229352, bzw. per Email: info@kunstverein-muenchen.de. Rechtzeitige Reservierung (max. 20 Personen) und Vorausszahlung von 5 € notwendig!

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 29. Mai 2002
 Kategorie: Bericht
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