In Demokratien sind direkte staatliche Zensurmechanismen (oft) nicht mehr vorhanden. Zwar gibt es auch Ausnahmen, wie das spanische „Gesetz für die Dienste der Informationsgesellschaft und des E-Commerce“ zeigt, doch lassen wir diese hier außen vor. Befassen wir uns mit anderen Zensurmechanismen, mit der Zensur durch die Kulturindustrie.
„Rip, mix and burn, after all: it is your music“ versprach uns Anfang des Jahres Apple in seiner Werbung für seinen MP3-Player. Doch was ist davon zu halten? Kommen wir zu den Versprechen zurück.
Rip, d.h. Daten kopieren
In den USA wurde vor Jahresfrist das Urheberrecht geändert. Mit dem DMCA ist es illegal, Mechanismen bereitzustellen, mit deren Hilfe Kopierschutzmechanismen umgangen werden können, egal wie leicht der Kopierschutz umgangen werden kann. Da am Computer und speziell im Internet jeder Vorgang automatisch ein Kopiervorgang ist, müssten eigentlich nach dem DMCA Computer verboten werden. Die logische Konsequenz: Palladium, die nächste Windows-Generation, mit einem eingebauten Digital Rights Management (DRM) und „Sicherheitsmechanismen“. Aber Sicherheit für wen?
Sicherheit für die Kulturindustrie, die jedesmal, wenn eine MP3 abgespielt wird, überprüfen kann, ob man die Erlaubnis dazu hat. Die Musik wird nicht mehr, wie heute noch üblich, auf einem Datenträger gekauft, sondern nur lizensiert erhältlich sein. Damit hat man nicht mehr das Recht, alles damit zu unternehmen, da es nicht mehr den Besitzer wechselt, womit wir zum zweiten Versprechen kommen.
Mix, d.h. Daten verändern
Also, Daten verändern darf man auch nicht mehr. Sampling wird schon seit mehreren Jahrzehnten von der Musikindustrie verfolgt, egal wie sehr man das Sample verfremdet. Auch Kunst, die Copyright-geschützte Logos und Figuren verändert, darf so nicht verbreitet werden. Gerade findet in New York eine Ausstellung statt, die sich mit genau dieser Kunst beschäftigt.
Dabei kommen interessante Fakten an den Tag: Das Lied „Happy Birthday to you“ ist z.B. vollständiges Eigentum von AOL Time Warner. Auch Micky Mpouse wird wohl nicht mehr Public Domain werden, wie Lawrence Lessig in seiner längeren Ansprache „Free Culture“ nachgewiesen hat. Die Frist für geschütztes geistiges Eigentum wird immer dann verlängert, wenn Micky öffentliches gut werden könnte. Man spricht in Aktivistenkreisen schon vom „Micky Mouse Protection Act“.
In der Musik wiederum hat sich vergangenes Jahr eine neue Tendenz ausgebildet, der Bastard Pop. Dazu nimmt man zwei oder mehr bekannte Lieder und Tracks und mischt sie zu einem einzigen zusammen. Das Ganze wird dann in Kleinstauflagen auf Vinyl vertrieben – und eben im Internet auf Tauschbörsen. Das Produzieren dieser Tracks ist nach der gegenwärtigen Rechtslage (in Europa) nicht verboten, nur Geldverdienen damit. Nach DMCA jedoch ist sogar der kreative Umgang mit den Daten in den USA verboten.
Noch ein Beispiel für den schwachsinnigen Inhalt des DMCA: Sony vertreibt seit einiger Zeit den Roboterhund Aibo. Leider ist der Funktionsumfang eher gering, so dass ein findiger Programmierer auf die Idee kam, den Hund zu hacken und ihm z.B. Jazz-Tanz beizubringen. Seine Ergebnisse hat er auf seiner Homepage Aibopet veröffentlicht. Doch er wurde dann von Sony abgemahnt, weil das ja gegen den DMCA verstößt. Obwohl jeder, der den Hund benutzen will, ihn ja kaufen muss. Und Sony einerseits gegen Raubkopien vorgeht (da eigenes Plattenlabel) und andererseits daran verdient (als Hersteller von Rohlingen und CD-Brennern). Doublethink im besten Sinne.
Burn, d.h. das Veränderte veröffentlichen
Veröffentlichen geht also prinzipiell nicht, nicht einmal mehr ohne finanzielles Interesse.
Was momentan „nur“ illegal ist, soll in Zukunft ganz unmöglich werden: Mit Palladium entwickelt M$ ein Betriebssystem, das nur noch Dateien aufruft, für die man explizit dei Erlaubnis erworben hat. Aus der Produktionsmaschine Computer, mit der man eigene Software und Kulturgüter entstehen lassen konnte, wird ein reines Abspielgerät geworden sein. Natürlich nur zum Schutz der Verbraucher, da dann natürlich keine schädlichen Viren mehr auf den Rechner gelangen können. Und die Kulturindustrie kassiert wieder ab. Auf der Strecke bleibt die momentan noch vorhandene DIY-Attitüde, da Produktionswerkzeuge für Musik und Video noch nie so billig waren wie heute. Die etablierten Künstler sollen nur den gleichen Prozentsatz bekommen, wie für CD- und Plattenveröffentlichungen, obwohl die Industrie weniger Aufwand betreiben muss.
Aber wie heißt es so schön im Film Bird: „Ich habe die Platten nur gemacht, verkauft hat sie jemand anders.“