Das republikanisch dominierte US-Repräsentantenhaus hat am vergangenen Mittwoch einen Gesetzesentwurf zur Nationalen Sicherheit veröffentlicht. Der wichtigste Punkt ist die Gründung eines der mächtigsten Ministerien der Welt, dem Information Awareness Office (IAO). Mit einem Jahresbudget von 200 Millionen US-$ sollen die 170.000 Mitarbeiter des Ministeriums ein computergestütztes weltweites Informationssystem erschaffen. Die Aufgabe ist einfach und erschreckend zugleich:
Für die Realisierung des Gesetzesentwurf benötigt George W. Bush die Zustimmung des Kongresses. Die scheint seit dem Mehrheitswechsel selbst bei einigen Demokraten möglich. Ermöglicht wird die neue Behörde durch den Homeland Security Act.
Das IAO gehört zur Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), die wiederum eine Unterabteilung des Pentagon darstellt. Das IAO ist also eine militärische Einrichtung. Das Motto lautet: „Scientia est Potentia“. Mit Hilfe eines neuen rechnergestützten Informationssystem sollen die Mitarbeiter aus alle erreichbaren Daten einer bestimmten Person ein individuelles Dossier erstellen. Zu den betreffenden Daten gehören neben Flugbuchungen, Geldtransfers, E-Mails, Online-Einkäufen, Führerscheinanträgen und Arzneimittelbestellungen auch biometrische Daten. Daraus soll das System weitesgehend ein mögliches Zukunfts-Szenario der Person entwerfen um hinter die Mechanismen und Pläne verdächtiger Personen und Organisationen zu kommen. Das Ganze hört sich ein wenig nach Pre-Crime an, wie es in dem zugegeben nicht gerade brillianten Film „Minority Report“ dargestellt wird. Die IAO hat eine Vision, die einem die Gänsehaut über den Rücken laufen läßt:
- Collaboration and sharing over TCP/IP networks across agency boundaries
- Large, distributed repositories with dynamic schemas that can be changed interactively by users
- Foreign language machine translation and speech recognition
- Biometric signatures of humans
- Real time learning, pattern matching and anomalous pattern detection
- Entity extraction from natural language text
- Human network analysis and behavior model building engines
- Event prediction and capability development model building engines
- Structured argumentation and evidential reasoning
- Story telling, change detection, and truth maintenance
- Business rules sub-systems for access control and process management
- Biologically inspired algorithms for agent control
- Other aids for human cognition and human reasoning“
Vorsitzender des Superministeriums ist kein anderer als John Poindexter. Der ehemalige Berater von Ronald Reagan war in die Iran-Contra-Affäre verwickelt. Poindexter hatte wichtiger Dokumente vernichtet und wurde 1990 zu einer 6-monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. In seinem bei der IAO abrufbaren Lebenslauf findet sich natürlich nichts dergleichen.
1958-87 war Poindexter bei der Navy gewesen und hatte Physik und Ingeneurswesen studiert. Ab 1981 arbeitete er für das Weiße Haus als militärischer Assistent. Unter Reagan ist Poindexter 1985 zum nationalen Sicherheitsberater aufgestiegen. US-Präsident Reagan nimmt 1987 wegen der Affäre um illegale Waffenlieferungen an den Iran und die Umleitung der Erlöse an rechtsgerichtete Contra-Rebellen in Nicaragua (Iran-Contra-Affäre) den Rücktritt von Sicherheitsberater John Poindexter an und entläßt dessen Stellvertreter Oliver North. Jetzt taucht Poindexter wieder aus der Versenkung auf und wird prompt Chef der zukünftig vielleicht mächtigsten Pentagon-Behörde.
Die amerikanische Öffentlichkeit scheint die Tragweite dieses Projektes noch nicht zu ermessen. Bis auf einige zynische Artikel in der Washington Post und der New York Times ist nicht viel passiert. Auch wenn das IAO-Projekt noch nicht endgültig beschlossen ist, sollten die zuständigen Politiker und nicht zuletzt die Bürger langsam aus ihren Dämmerschlaf aufwachen. Dauert dieser kollektive Schlaf zu lang, könnte es ein wirklich böses Erwachen geben.