Abschied von der Medienfreiheit

Indonesien, in dessen demokratische Aufbruchsstimmung seit dem Machtverzicht Suhartos 1998 noch einige Hoffnung gesetzt werden mochte, hat einen entschiedenen Schritt in Richtung Kontrollgesellschaft unternommen. Wie Anett Keller in „die tageszeitung“ am 10.12. berichtete, dient das jüngst im Parlament verabschiedete Rundfunkgesetz sowie die Berufung einer Rundfunkkomission (KPI) im wesentlichen der unverhohlenen staatlichen Gängelung der Medien. Dabei hatten restriktive Mediengesetze und erschlichene Kompetenzen des Informationsministeriums wie z.B. die Lizenzvergabe an Redaktionen vor 1998 zum politischen Alltag der Diktatur gehört. 1999 hatte schließlich Jusuf Habibie, in symbolischer Abkehr von der autoritären Grundhaltung seines Vorgängers, ein Gesetz unterschrieben, welches „Pressefreiheit als Bürgerrecht“ gewährte.

Das Signal, dass von einer solchen Infragestellung mühsam errungener Freiheitsrechte ausgeht, ist umso schädlicher, als der unabhängige Journalismus in sämtlichen ASEAN-Staaten ohnehin noch in den Kinderschuhen steckt, wie Otto Altendorfer in einem Vortrag von 1999 pointiert darlegt. Sicherlich etwas pauschal, aber dennoch im Kern zutreffend, lässt sich folgende Entwicklungslinie nachzeichnen: Durch turbulentes Wachstum (vor dem Einschnitt der großen Rezession) gefördert, hat sich in den wohlhabenderen Staaten Südostasiens wie z.B. im Ex-Tigerstaat Indonesien Medienakzeptanz in allen Bevölkerungsschichten (was freilich in geringerem Maße für die Printerzeugnisse gilt) fest verankert.


Trotz aller staatlichen Aufsicht sprengt dieses innovative Potential die (post)kolonialen Strukturen, innerhalb derer die Medien inoffiziell lediglich die einseitige Funktion der Indoktrinierung (etwa antikommunistische Propaganda zu Zeiten des Kalten Kriegs) oder gar der Missionierung innehaben. Die populären Telenovelas etwa übermitteln nicht selten säkulare, in westliche Vorstellungen und Lebensweisen gekleidete Botschaften, die bei strenggläubigen Muslimen für Unbehagen sorgen.

Die Kommission behält sich nun, wie aus vagen Formulierungen zu entnehmen ist, u.a. das Einschreiten vor, wenn Sendeinhalte das allgemeine religiöse oder sittliche Empfinden verletzen. Das Strafmaß bemisst sich je nach (willkürlich ermittelter?) Schwere des Vergehens und reicht von Bußgeldern bis hin zu fünf Jahren Freiheitsentzug, wobei der Einspruch vor Gericht dem Angeklagten versagt bleibt.

Nur zu vierzig Prozent darf „ausländische Ware“ künftig über inländische Frequenzen ausgestrahlt werden. Dies geschieht nicht ohne Kalkül: Torpediert wird vor allem die Arbeit kleinerer Radiostationen, welche sich für Nachrichten aus aller Welt keine eigenen Korrespondenten leisten können und etwa auf BBC zurückgreifen.


Die Regulierungswut macht auch vor den Sendereichweiten keinen Halt: Private Anbieter müssen sich in lokalen Nischen arrangieren, einzig die staatlichen Sender TVRI (Fernsehen) und RRI (Radio) dürfen ihre Zuschauer bzw. Hörer landesweit ansprechen.

Als (kaum) tröstender Nebeneffekt könnte die Behinderung von Überkreuzbeteiligungen von TV-Sendern und Zeitungsverlagen gewertet werden. Medienwissenschaftler sehen darin eine wirksame Blockade gegen weitere Machtballung und zugleich ein Instrument zur Verringerung von Korruption und Mauschelei, die ja häufig illegale Begleiterscheinungen von scheinlegaler Monopolbildung sind. Anett Keller warnt daher nicht zu Unrecht davor, die Proteststürme vieler im indonesischen Mediengeschäft heimischen Journalisten allzu ernst zu nehmen, gehe es hierbei doch zumeist um Sicherung eigener Pfründe.

 Autor: jvs
 Veröffentlichung: 16. Dezember 2002
 Kategorie: Nachricht
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