"Big Brother ""The Battle"" – Neuauflage der Reality-Soap"

Eines der größten und konfrontativsten Medienereignisse der letzten Jahre war zweifelsohne das vom Privatsender RTL 2 ausgestrahlte TV-Format „Big Brother“, welches im März 2000 startete.

Doch auch hier galt die Faustregel: Je größer der anfängliche Enthusiasmus, desto größer die baldige Ernüchterung. Das Interesse der Fernsehnation an der als authentisch angepriesenen, rund um die Uhr zelebrierten Realitätsperformance ließ schon kurz nach der Kür des Siegers der ersten Staffel rapide nach. Nun flimmert seit 31. März 2003 die sogenannte Real-Life-Soap mit veränderten, knallharten Spielregeln erneut über die Mattscheiben der Republik und scheint das Ziel der Quotenträchtigkeit vorerst wieder zu erfüllen.

Stippvisiten glanzvoller Prominenter sollen helfen, diesen Zustand stabil zu halten. Aleks Bechtel, laut www.big.brother.de „genau die Richtige“ moderiert erneut die abendliche Tageszusammenfassung und hilft den Kandidaten wohlmeinend bei deren Imagebildung. Für den Titelsong konnte man Oli. P. gewinnen, denn der ehemalige GZSZ- Darsteller hat dank professioneller Nachhilfe einen Hit geschrieben, in der er mit zarter Knabenstimme über die Macht der Veränderung sinniert.

Das Konzept der Sendung ist recht simpel: Durch die Erhöhung des telegenen Konkurrenzdrucks unter den Teilnehmern gewinnt die Schlacht deutlich sozialdarwinistische Züge. Ein geradezu fiktiver Sozialneid bzw. eine ähnlich fiktive Angst vor Statusverlust dient als Motivation für einen möglichst harten, ostentativ emotionalen Kampf um das Bewohnen des luxuriösen Teils der Anlage. Und natürlich geht es auch um die Gunst der Zuschauer, die mal wieder, ein Hoch auf die Mediendemokratie, das letzte Wort bzw. die letzte (teure) SMS haben.

Die acht Kandidaten, welche sich zur Zeit bei der Erfüllung ihrer banalen Alltagspflichten, beim Essen, Knutschen, Heulen, Lästern, Psychologisieren und Holz hacken überwachen und inszenieren lassen, vereinen ausgefallene Berufsprofile wie Bademeister, Malerin und Stripperin. Dies ist ein eindeutig dokumentarischer Aspekt. Langweilige, dümmliche Selbstdarstellung und gnadenloses Mobbing erinnern an die legendäre Seichtheit nachmittäglicher Talkshows. Die nun noch massivere Steuerung und Beeinflussung durch die Redaktion macht einen wiederum glauben, es handele sich um ein fiktionales Serienspektakel, eine Beziehungs-Soap. Insofern ist es meines Erachtens jenseits aller Einzelanalyse ganz richtig, mit Lothar Mikos von einem Hybridgenre zu sprechen.


So beliebt bei den einen, (mindestens) so verhasst bei den anderen: In der für die Sendeerlaubnis zuständigen Landesmedienanstalt in Frankfurt am Main wurden bereits im Vorfeld der Erstausstrahlung im Jahr 2000 medienrechtliche Bedenken vernehmbar. Einige zum Standardrepertoire zählende Anfragen der Kritiker lauteten:

Ist das Sendeformat mit der gebotenen Hochhaltung menschlicher Würde oder mit dem auf Rationalität und Autonomie beruhenden Personprinzip vereinbar ?
Ist es ohne weiteres zulässig, Menschen in degradierenden Situationen zu filmen und somit prekäre Momente von Intimität in einen öffentlichen Raum zu überführen?
Werden sozial geächteten Verhaltensformen wie z.B. Voyeurismus Vorschub geleistet?

Darf der Medienbereich bis zu diesem Maße einem ökonomisch-kommerziellen Imperativ unterstellt werden? (betrifft z.B. die nicht eingehaltene Kennzeichnungspflicht für Werbeinhalte)

Produzent und Rechtsgutachter reagierten auf einige der Einwände, indem sie die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Anwesenheit eines Psychologen, die gewissenhafte Strenge des Auswahlverfahrens und die jederzeitige Möglichkeit des Ausstiegs hervorhoben. Es ist unklar, inwiefern diese Beteuerungen aufrichtig sind und inwiefern sie überhaupt als stichhaltige Argumente gewertet werden können. Allein schon der Begriff der Freiwilligkeit scheint deplaziert, denn, so wurde beispielsweise von Thomas Bohrmann in seiner lesenswerten „medienethischen Anfrage“ argumentiert, es besteht ein Unterschied zwischen vordergründiger Einwilligung und informierter Zustimmung (informed consent, ein Begriff aus der medizinischen Ethik)

Nach dem das Feuilleton der FAZ am 10.06. 2000 einen geheimgehaltenen Katalog von Zusatzregeln veröffentlicht hatte, der unter anderem die Möglichkeit der Regeländerung vorsah, erreichte die Debatte und zugleich der Ton der Entrüstung ihren Höhepunkt.
Nun wäre abschließend zu fragen, ob die Kontroverse verstummen muss, da die Bibliographie zum Thema bereits seitenfüllend und das Phänomen vom Wissenschaftsbetrieb erkundet ist, oder ob sie sich nicht vielmehr ein Stück Aktualität bewahren kann. Dass gewisse Medientrends wie eine Big-Brotherisierung des Unterhaltungsfernsehens nicht einfach ignoriert, sondern von einer wachen Öffentlichkeit diskutiert werden, ist somit eine Mindestanforderung an eine sich reif nennende Gesellschaft .

 Autor: jvs
 Veröffentlichung: 14. April 2003
 Kategorie: Nachricht
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