Nach der Affäre um den Kokainkonsum von Michel Friedman und um dessen Kontakte zum Rotlichtmilieu fordern Bundestagsabgeordnete für sich einen besonderen Schutz vor Überwachungsmaßnahmen. Dabei wurde erst vor Kurzem die TKÜV verschärft.
Es ist zwar kein Verbrechen, Prostituierte aufzusuchen, dennoch wird dies immer noch gesellschaftlich geächtet. Bisher ging es bei der Diskussion um den Großen Lauschangriff nur um die Interessen der Zielpersonen, nie um die Interessen der Gesprächspartner. Jetzt taucht plötzlich diese Frage auf, und niemand scheint sich jemals Gedanken darüber gemacht zu haben. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass nicht jedes Gespräch mit einem mutmaßlichen Kriminellen automatisch mit der Beschuldigung zu tun hat. Aber da nicht mehr nur Normalbürger davon betroffen sind, sondern Politiker, verkompliziert sich die Sache. Die entscheidende Frage ist also, ob für Abgeordnete ein anderer Schutz der Privatsphäre gelten soll als für den Rest der Bürger.
Schadenfroherweise könnte man behaupten, dass jetzt die Verantwortlichen für den Großen Lauschangriff endlich einmal selbst betroffen sind, dass sich die ganze Geschichte zum Boomerang entwickelt hat. Offensichtlich scheinen erst jetzt viele Abgeordnete das Problem der „zufällig“ abgehörten Dritten ernst zu nehmen. Stand bisher in der Debatte eine Erweiterung der Befugnisse der Polizei im Vordergrund, so scheint jetzt über die Hintertür eines Skandals plötzlich der Datenschutz wieder ins Zentrum der Debatte zu rücken.
Nach der Bonusmeilenaffäre hat der Bundestag nun seinen zweiten Skandal innerhalb eines Jahres. Führte diese jedoch nicht zum Überdenken bisheriger Positionen, scheint dies jetzt anders zu sein. Der Bundestag echauffiert sich über die Verwendung von Daten aus seinen Reihen, für deren Anlegung er selbst seit Jahren Sorge trägt. Für dieses Problem gibt es jedoch nur zwei Lösungen: Entweder man befasst sich noch einmal mit dem Großen Lauschangriff und nimmt ihn wieder zurück, da er sowieso ineffektiv ist, wie ein interner Bericht der Bundesregierung beweist, oder man geht den einfacheren Weg und schafft einen Sonderstatus für Parlamentarier, deren Rechte besonders geschützt sein sollen. Zwar genießen sie bislang rechtliche Immunität, doch damit würde nicht nur ein Schutz vor einer Verurteilung gegeben, sondern sogar vor einer möglichen Strafverfolgung, was noch eine Stufe weitergeht. Somit wären die Bürger nur noch Bürger zweiter Klasse im Vergleich zu den Abgeordneten, also Untertanen. Hört sich hart an, aber der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt meinte wohl das, als er sagte, dass Parlamentarier nicht wie der „Würstchenverkäufer um die Ecke“ behandelt werden könne.
Einzig der Querdenker Christian Ströbele, den sich die Öko-FDP noch hält, widerspricht dem und fordert eine Neuregelung des Lauschangriffs. Na dann: Gute Nacht, Demokratie und Rechtsstaat.