Das Terrorismusbekämpfungsgesetz

Der 11. September 2001 – zwei Jahre und zwei Kriege danach. Ein Ende des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus ist immer noch nicht absehbar, so die einhellige Meinung des Führers der zivilisierten Welt, George W. Bush. Die Gefährdungslage ist zwar weiterhin ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Führer der Barbaren, Osama Bin Laden und Saddam Hussein sind weiter am Leben, doch wurde die Schlagkraft ihrer Truppen durch die beiden Kreuzzüge in Afghanistan und im Irak massiv geschwächt.

Dieser zugegeben eben etwas karikierten Einschätzung schloß sich nicht zuletzt auch der deutsche Bundesinnenminister Otto Schily an:

„Die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus hält unverändert an. Die grenzüberschreitenden Strukturen sind existent und funktionsfähig. […] Trotz des hohen Verfolgungsdrucks, den die Kräfte der internationalen Anti-Terror-Koalition in Afghanistan und die Ermittlungsbehörden in aller Welt auf Al Qaida ausüben, ist der internationale Terrorismus noch nicht besiegt.“

Dennoch betont Schily: “ … daß wir auf dem langen Weg zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein gutes Stück vorangekommen sind.“ Schily verweist in diesem Zusammenhang auf die Sicherheitspakete I und II, die berühmt, berüchtigten Otto-Kataloge. Oft werden sie als die ersten großen Schritte in Richtung Orwellschen Überwachungsstaat gebrandmarkt. Wir wollen den 2. Jahrestag der Terroranschläge in den USA zum Anlaß nehmen, diesem Vorwurf etwas genauer nachzugehen und uns dazu das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 ansehen.

Sinn und Zweck des Terrorismusbekämpfungsgesetzes

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBKG) ist im Grunde nichts anderes als eine Sammlung von Gesetzesänderungen. Das heißt, die Artikel des TBKG ändern selbst zahlreiche andere Sicherheitsgesetze bzw. sicherheitsrelevante Teile verschiedener Gesetze und Regelungen. Betroffen sind folgende Gesetze:

Der Schwerpunkt der Gesetzesänderungen liegt einmal darin, den Sicherheitsbehörden wie dem Bundeskriminalamt, dem Bundesgrenzschutz, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst und dem Bundesnachrichtendienst die nötigen gesetzlichen Befugnisse zu geben. Zum anderen sollen die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verbesserung des Informationsaustausches, die Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland und notwendige identitätssichernde Maßnahmen geschaffen werden.

Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesgrenzschutz (BGS)

Terrorismusbekämpfungsgesetz Artikel 6 und 10

So werden unter anderem die Ermittlungskompetenzen des Bundeskriminalamtes erweitert. Weiterhin darf der Bundesgrenzschutz ab sofort Personen nicht mehr nur anhalten und befragen, sondern hat auch die Befugnis die Ausweispapiere im Grenzgebiet zu überprüfen (§ 22 Abs. 1 BGSG).

Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischer Abschirmdienst (MAD)

Terrorismusbekämpfungsgesetz Artikel 1 bis 3

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf nun auch solche Bestrebungen beobachten, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG). In diesem Zusammenhang erhält das Bundesamt für Verfassungsschutz eine mit einer Auskunftsverpflichtung der Banken und Geldinstitute korrespondierende Befugnis, Informationen über Konten einzuholen. Der Verfassungsschutz darf bei Postdienstleistern unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften, Postfächern und sonstigen Umständen des Postverkehrs einholen. Ferner können Auskünfte auch bei Luftfahrtunternehmen unentgeltlich Auskünfte zu Namen, Anschriften und zur Inanspruchnahme von Transportleistungen und sonstigen Umständen des Luftverkehrs eingeholt werden (§ 8 Abs. 5-12 BVerfSchG).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist außerdem befugt Auskünfte über Telekommunikationsverbindungsdaten und Teledienstenutzungsdaten einzuholen (§ 8 Abs. 8 BVerfSchG), insbesondere:

  • Berechtigungskennungen, Kartennummern, Standortkennung sowie Rufnummer oder Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses oder der Endeinrichtung
  • Beginn und Ende der Verbindung nach Datum und Uhrzeit
  • Angaben über die Art der vom Kunden in Anspruch genommenen Telekommunikations- und Teledienst-Dienstleistungen
  • Endpunkte festgeschalteter Verbindungen, ihr Beginn und ihr Ende nach Datum und Uhrzeit

Zukünftig wird es dem BfV auch möglich sein, technische Mittel zur Lokalisierung eingeschalteter Mobiltelefone und zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern einzusetzen. Zur Einholung der genannten Auskünfte bedarf es keiner richterlichen Genehmigung. Es gelten vielmehr die G-10 Richtlinien.

Der Militärische Abschirmdienst verfügt über ähnliche Rechte der Datenerhebung und Auskunft wie das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das gleiche gilt für den Bundesnachrichtendienst.

Ausländer- und Asylrecht

Terrorismusbekämpfungsgesetz Artikel 11 bis 16

Das Ausländer- und Asylrecht wird verschärft: Die Änderungen im Ausländergesetz sehen unter anderem vor, bei Zweifeln an der Identität eines Ausländers erkennungsdienstliche Maßnahmen durchzuführen, wie etwa die Fingerabdrücke aller zehn Finger zu sichern (§ 41 Abs. 4 und 5 AuslG). Entsprechend werden biometrische Merkmale (Finger, Hände, Gesicht) im Ausweisersatz aufgenommen (§ 39 Abs. 1 AuslG). Analog dürfen im Rahmen des Asylverfahrens neben erkennungsdienstlichen Maßnahmen auch Sprachaufnahmen gemacht werden, insofern der Asylbewerber davon in Kenntnis gesetzt worden ist (§ 16 Abs. 1 AsylVfG). Die gewonnenen Unterlagen sind zehn Jahre nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu vernichten. Die 10-Jahres-Frist gilt für die meisten personenbezogenen Daten in diesem Zusammenhang.

Die Fingerabdrücke von Asylbewerbern werden zukünftig automatisch mit dem polizeilichen Tatortspurenbestand des Bundeskriminalamtes abgeglichen werden können (§ 88 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG). Zudem können laut Gesetz über das Ausländerzentralregister die Daten der Betroffenen nun auch an die zuständigen Luftfahrtbehörden der Länder übermittelt werden. Die Visa-Datei wird zu einer Visaentscheidungs-Datei ausgebaut (§ 29 Abs. 1 AZRG). Zugriff – neuerdings auch automatisiert – auf das Ausländerzentralregister haben jetzt neben BKA, LKA, Bundesgrenzschutz, oberste Bundes- und Landesbehörden, Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Gerichte, Staatsanwaltschaften auch die Träger der Sozialhilfe und sonstige Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder. Die Übermittlung der Daten an nicht-öffentliche Stellen ist weiterhin ausgeschlossen (§ 32 AZRG).

Paß und Personalausweis

Terrorismusbekämpfungsgesetz Artikel 7 und 8

Gemäß der Änderung des Paß- und Personalausweisgesetzes können ab sofort biometrische Merkmale von Fingern, Händen und Gesicht auch in verschlüsselter Form in Reisepaß und Personalausweis aufgenommen werden . Eine bundesweite Zentraldatei für diese biometrischen Daten wird jedoch nicht eingerichtet (§ 4 PaßG bzw. § 1 Absatz 4 und 5 Gesetz über Personalausweise). Durch besonderes Bundesgesetz können künftig drei weitere Biometriemerkmale eingeführt und deren Verschlüsselung sowie die Verschlüsselung des Lichtbildes, der Unterschrift und anderer Personalangaben angeordnet werden. Die anderweitige Verwendung der biometrischen Daten neben der Identitätsfeststellung ist verboten.

Wie weit ist es bis zum Überwachungsstaat?

Wie wir gesehen haben, gesteht das Terrorismusbekämpfungsgesetz den Ermittlungsbehörden zahlreiche neue Befugnisse zu, die in erster Linie den Informationsaustausch zwischen den Institutionen erleichtern sollen und zudem einige zusätzliche Datenquellen erschließen. Hier ist speziell die Speicherung von biometrischen und teledienstlichen Daten zu nennen. Die Speicherung von biometrischen Daten wird durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz allgemein erlaubt und speziell im Ausländer- und Asylrecht gefordert.

Die Speicherung von teledienstlichen Daten wird durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz allgemein nicht erlaubt. Nur in Einzelfällen darf gemäß der G-10 Richtlinien des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses abgehört werden. Allgemein geht es vor allem um die Übermittlung der entsprechenden Daten an die Behörden. Die Speicherung selbst wird durch die Telekommunikationsüberwachungsverordung geregelt. Für die Speicherung biometrischer Merkmale steht eine entsprechende Regelung noch weitesgehend aus.

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz ist also nur ein erster Schritt in diese Richtung. Das gleiche gilt wohl auch für die zunehmende Vernetzung der Behörden. Auch hier wurden bereits erste Regelungen beschlossen, wie etwa die automatisierte Abfrage von Datensätzen aus dem Ausländerzentralregister.

Werfen wir zum Schluß noch einen Blick in die Zukunft. Bundesinnenminister Otto Schily verweist in seiner Rede vom 11. September 2003 auf konkrete innen- und sicherheitspolitische Initiativen der Bundesregierung, die unter anderem folgende vier Punkte umfassen:

  • Zugriff der Sicherheitsbehörden auf die EURODAC-Datenbank, in der Fingerabdrücke von Asylbewerbern und Illegal Aufhältigen gespeichert sind
  • Ermöglichung EU-weiter elektronischer Rasterfahndung
  • weiterer Ausbau der Rolle von Europol bei der Terrorbekämpfung
  • Weiterentwicklung des Schengener Informationssystems

Ziel sind also weniger Maßnahmen zur Terrorbekämpfung auf nationaler sondern vor allem auf europäischer und internationaler Ebene. Das ist in gewisser Weise nur konsequent. Denn auch der Terrorismus ist ja kein nationales Phänomen. Wer also den Terrorismus in erster Linie mit diesen repressiven Mitteln bekämpfen will, der muß sich mit der schleichenden Überwachung und Kontrolle abfinden. Jeder kann schließlich ein Terrorist, d.h. ein Schläfers sein. Mißtrauen und Bespitzelung sind die notwendige Folge. Das Homeland Security Office in den USA könnte Vorbild auch für ein entsprechendes europäisches Kontrollinstrument sein. Neben solch einer Sicherheitsbehörde sähe dann die ehemalige Staatssicherheit der DDR wie ein Witz aus. Aber wollen wir den Terrorismus bekämpfen, dann müssen wir eben Opfer bringen.

Es darf aber angefragt werden, ob das der richtige Weg zur Terrorismusbekämpfung und zur langfristigen Prävention ist. Wird hier vielleicht nicht tief genug gegraben und nach den wirklichen Ursachen gefragt? Oder ist es noch viel schlimmer: Kann es sich unsere Gesellschaft eventuell gar nicht erlauben, tiefer zu bohren ohne die eigene Existenz zu gefährden? Wie sagte Adorno nochmal: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Theodor W. Adorno wäre gestern einhundert Jahre alt geworden.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 12. September 2003
 Kategorie: Bericht
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