Videoüberwachung in Skandinavien

Das finnische Jedermannsrecht, sich nach Belieben im Land der Wälder und Seen frei bewegen zu können, haben die Gesetzgeber offensichtlich auf die Installation von Überwachungskameras übertragen. Die Videoüberwachung öffentlicher Räume wird de facto überhaupt nicht reguliert. Und nicht nur in Finnland können sich die Freunde des Voyeurismus an den vielen automatischen Spähern erfreuen. Auch in Schweden, Norwegen und Dänemark finden wir zahlreiche optoelektronische Überwachungssysteme, wie ein kleiner Spaziergang durch die skandinavischen Metropolen belegt.

Oslo (Norwegen)

Beginnen wir unseren kontrollierten Rundgang in der Heimat Harald V. von Norwegen. Die Hauptstadt verfügt über ein CCTV-System (Closed Circuit Televison) mit insgesamt sechs Kameras im Innenstadtbereich. Eine Untersuchung weiß zu berichten, dass die offenbar zunächst nachgewiesene Abschreckungswirkung nach kurzer Zeit verständlicherweise nachließ. Gerade der Drogenhandel entfaltete sich unter den Augen der dortigen Kameras nahezu unvermindert weiter. Dennoch wird das 1999 installierte System nicht abgebaut.


Oslo: Überwachungskamera in der Fußgängerzone (Karl Johans Gate)

Wer von Oslo aus mit dem Zug weiterreist, dem werden zudem die vielen Kameras im Hauptbahnhof auffallen. Im Vergleich etwa zu Deutschland stechen diese dem Reisenden zugleich ins Auge. Man kann sie eigentlich gar nicht übersehen, was einerseits an der wenig unauffälligen Form der Kameras als auch an den Orten liegt, wo sie angebracht sind. Das kann an der gewollten Präventivwirkung der Überwachung liegen oder aber lediglich an der allgemeinen Akzeptanz derartiger Kontrollmechanismen.

Überwachung in OsloOslo: Überwachungskamera am Bahnhofsvorplatz.

Insgesamt, so darf man aber aufatmend zusammenfassen, nimmt sich die Kameradichte in Oslo bescheiden aus. Dies dürfte nicht zuletzt an den sehr restriktiven Datenschutzbestimmungen (neues Datenschutzgesetz im April 2000) liegen. Dasselbe behauptet man auch Norwegens Nachbarland Finnland, wenngleich uns dort die Realität eines besseren beziehungsweise schlechteren belehrt.

Helsinki (Finnland)

Wie anfangs schon erwähnt, kommt die finnische Gesetzgebung bezüglich der Videoüberwachung öffentlicher Räume freundlich ausgedrückt „ein wenig unterentwickelt“ daher. Die finnische Sozialgeographin Hille Koskela bringt es auf den Punkt: „Man braucht zwar in Helsinki eine Erlaubnis, um Gitarre auf der Straße spielen zu dürfen oder irgendwelchen Kleinkram zu verkaufen, aber wenn Du Videoüberwachung machen willst, brauchst du das nicht.“ Einzig ein Gesetz, daß Videoüberwachung an so genannten „intimen Orten“ wie öffentlichen Toiletten oder Umkleidekabinen regulieren soll, wurde diskutiert.

Videoüberwachung in HelsinkiHelsinki: Überwachungskamera hinter dem Dom nahe der Nationalbank.

Hille Koskela weiter: „Kameras gibt es überall: sowohl Vertreter der Exekutive, also die Polizei, wie auch private Sicherheitsdienste, Geschäftsleute usw. bedienen sich der Technologie. Die privat betriebenen Kameras dürften dabei die Zahl der staatlich kontrollierten Kameras bei weitem übertreffen. Die Polizei nutzt die Kameras sowohl für die Verkehrsüberwachung wie zum Zurückdrängen von Kriminalität. In Helsinki gibt es Kameras auch auf den U-Bahn- und Fernbahnhöfen, in Geschäften, Shopping Malls, in Cafés, Behörden und Universitätsgebäuden und sogar in Schulen und Kirchen. Mehr und mehr werden Videokameras auch in privaten Wohngebieten installiert, so dass die Bewohner am eigenen Bildschirm beobachten können, was draußen vor sich geht.“

Der häusliche Bereich hingegen, also der Privatraum, geschützt. Aber in den Städten kann jeder Überwachungskameras installieren – egal aus welchem Grund. Interessanterweise gibt es trotz der deutlichen Präsenz der Überwachungskameras bisher so gut wie keine Untersuchungen, ob und inwieweit Videoüberwachung effektiv und sinnvoll ist.

Stockholm (Schweden)

Weiter geht’s nach Stockholm. Die örtliche Videoüberwachung kam erst vor geraumer Zeit im Zusammenhang mit dem Mord an der schwedischen Außenministerin Anna Lindh ins Gespräch. Aufzeichnungen von Kameras in einem Kaufhaus sollten den Täter überführen, was sich letztlich aber als Sackgasse herausstellte.

In Schweden wird für eine allgemeine Videoüberwachung im Prinzip die Genehmigung der Provinzialverwaltung benötigt, aber es gibt eine Reihe von Ausnahmen, etwa bezüglich der Überwachung von Postämtern, Banken und Geschäften. Versteckte Videoüberwachung muss von einem Gericht genehmigt werden. Gemäß dem Gesetz über die allgemeine Videoüberwachung kann eine Entscheidung der Provinzialverwaltung vom Justizministerium im Interesse der öffentlichen Sicherheit angefochten werden.

Überwachung in StockholmStockholm: Videoüberwachung am Hauptbahnhof.

Videoaufzeichnungen mit Digitalkameras werden als eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß dem schwedischen Datenschutzgesetz angesehen und fallen somit unter die Aufsicht der Datenschutzbehörde. Seit Ende 2002 prüft eine Untersuchungskommission die Verwendung der Videoüberwachung zur Verbrechensvorbeugung. Unter anderem wird die Kommission das Gesetz über die allgemeine Videoüberwachung bewerten und prüfen, ob Änderungen erforderlich sind. Ferner prüft sie den Geltungsbereich des schwedischen Datenschutzgesetzes im Hinblick auf die Videoüberwachung und den möglichen Bedarf an besonderen Gesetzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Videoüberwachung.

Die Videoüberwachung wird insbesondere im Gesetz über allgemeine Videoüberwachung (an öffentlichen Plätzen) und im Gesetz über versteckte Videoüberwachung (bei polizeilichen Ermittlungen) geregelt.

Kopenhagen (Dänemark)

Fahren wir weiter über die Öresund-Brücke nach Kopenhagen – oder Schöppenhamm, wie die Schweden sagen. In der dänischen Hauptstadt gibt es bis heute kein CCTV-System. Lediglich die vielen Kameras am Hauptbahnhof vermitteln einem wieder das vertraute Gefühl der Observation. Ähnlich wie Norwegen und Schweden, genießt auch in Dänemark der Datenschutz eine verhältnismäßig Priorität. Diese Nationen gehörten zu den ersten weltweit, die durch strenge Datenschutzgesetzgebungen zeigten, dass sie den Persönlichkeitsschutz in der aufkommenden Informationsgesellschaft ernst zu nehmen und zu schützen verstehen.

Kameraüberwachung in KopenhagenKopenhagen: Deutsche Technik im Hauptbahnhof, Kamera am Gleis 8.

Das Gesetz Nr. 76 vom 1. Februar 2000 enthält entsprechende Anordnungen, welche den Einsatz von Überwachungskameras stark begrenzen. Die restriktive Gesetzgebung wird unter anderem an der Entscheidung der Datenschutzbehörde vom 3. Juni 2002 bezüglich der Videoüberwachung durch eine große Gruppe von Supermärkten und der Liveübertragung aus einer Kneipe in das Internet deutlich. Einzig die umfassende Videoüberwachung am Hauptbahnhof von Kopenhagen könnte den datenschutzverwöhnten Dänen irritieren.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 7. Dezember 2003
 Kategorie: Bericht
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