Die algerischen Geheimdienste

Die Geschichte des algerischen Bürgerkrieges wird umgeschrieben. Die algerischen Geheimdienste
geraten dabei immer mehr unter Beschuß. Die Grenzen zwischen den Bewaffneten Islamischen
Gruppen (GIA) und der staatlichen Abteilung für Information und Sicherheit (DRS) drohen sich mehr
und mehr zu verwischen. In den letzten Monaten sind mehrere autobiographische Schriften von
Beteiligten erschienen, die belegen zu scheinen, daß der Terror der GIA von den Geheimdiensten
zeitweise nicht nur geduldet, sondern vielmehr seitens der DRS unterstützt und mit angestiftet wurde.

So deckt der Bericht von Mohammed Samraoui, dem ehemaligen Oberst der DRS, zahllose blutige
Greultaten des algerischen Geheimdienstes auf. Der frühere rechte Arm der Spionageabwehr wirft
der Militärregierung vor, die Geheimdienste für Propagandazwecke mißbraucht zu haben. Ziel sei es
gewesen, in einem Scheingefecht gegen den angeblichen islamistischen Terror den Staatsstreich von
1992 zu rechtfertigen und sich so die Macht zu sichern. Damals hatte die Armee den Wahlsieg
Islamistische Heilsfront (FIS) durch einen Putsch verhindert.

Während des anschließenden Bürgerkrieges soll die DRS gezielt Fehlinformationen gestreut haben,
um den Streit zwischen den islamischen Fraktionen zu schüren und sie dadurch weiter zu schwächen.
So wurden etwa gefälschte schwarze Listen mit den Namen von Intellektuellen verbreitet, die
angeblich auf der Abschußliste der Islamisten standen. Samrauoui bestätigt weiterhin, daß die GIA-
Führung von Geheimdienstlern unterwandert wurde, und daß einzelne Aktionen der Terroristen von
der DRS selbst geplant und zum Teil auch selbst ausgeführt wurden: „Der Geheimdienst half beim
Aufbau der GIA (Groupe Islamique Armé), um die Lage zu verschärfen. Spezialeinheiten der Armee
schufen Schlupfwinkel und Tunnels für die GIA, um ihr den Rückzug nach Terroraktionen zu
erleichtern. Der Geheimdienst hat die Terroristen gefördert und zugleich die Angst geschürt, um sich
später als Terroristenbekämpfer darzustellen.“

Der algerische Bürgerkrieg forderte über 150.000 Opfer vorwiegend aus der Zivilbevölkerung.
Lange Zeit glaubte man, daß diese in erster Linie auf das Konto radikaler Islamisten gehen. Die in
letzter Zeit aufgetauchten Berichte von Beteiligten scheinen der gängigen Meinung jedoch auf das
Schärfste zu widersprechen. Die Geschichte von den fanatischen, islamistischen Terroristen verliert
somit zumindest in Algerien stark an Glaubwürdigkeit.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 12. März 2004
 Kategorie: Nachricht
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