Vergangene Woche kündigte der Verband der Phonographischen Industrie an, auch in Deutschland Nutzer von Tauschbörsen zu verklagen, wenn sie urheberrechtlich geschütztes Material anbieten. Daraufhin rief der Chaos Computer Club dazu auf, die Musikindustrie zu boykottieren.
Die Musikindustrie behauptet seit langer Zeit, dass der Download von Musik allein für die Umsatzrückgänge verantwortlich sei. Bislang wurde dieses Argument immer mit Studien untermauert, die von den Verbänden der Musikindustrie bezahlt wurden. Die Gegner dieser Theorie lieferten daraufhin ihre eigenen Studien, die genau das Gegenteil behaupteten, nämlich Tauschbörsennutzer würden mehr Musik kaufen als nicht-Nutzer von Tauschbörsen. Nun erschien aber eine Studie eines Professors der Harvard Business School, die beide Argumente entkräftet. Ihr zufolge würde Filesharing keinen Effekt auf das Kaufverhalten haben. Tauschbörsen würden nur die Kassettenaufnahmen ersetzen.
Man darf nicht vergessen, dass Jugendliche heute ihren Medienkonsum anders gestalten als noch vor einigen Jahren: So geben sie relativ viel Geld für die Nutzung von Handys aus, Klingeltöne kosten auch ca. 2 das Stück, der Umsatz mit DVDs und Computerspielen steigt seit Jahren beständig, all dies geht sicherlich auf Kosten der Tonträgerumsätze, auch wenn die großen Medienkonzerne an einigen dieser Konkurrenten um den jugendlichen Geldbeutel verdienen. Ein weiteres Problem sind sicherlich sogenannte Kopierschutzmechanismen, die nicht nur Kunden verärgern, sondern desweiteren noch viel Geld kosten: 0,91 pro gepresste CD plus Mehrwertsteuer sind auf Preislisten der Presswerke für kleinere Labels ausgewiesen. Diese Preise sind unabhängig von der bestellten Stückzahl, gehen also direkt als Lizenzgebühren an die Entwickler dieser Technologien. Dies trägt sicherlich zur Preissteigerung für CDs bei, die viele Kunden abschreckt
Ein fehlerhaftes Konstrukt ist sicherlich auch die bisherige Praxis, einerseits Downloads als illegal zu bezeichnen, andererseits Leermedienabgaben zu verlagen. Entweder Downloads sind illegal, dann darf man nicht Geld für illegale Handlungen verlangen (nämlich das Brennen dieser Inhalte auf CD), oder man erhält Geld für das Brennen von CDs, dann können Downloads nicht illegal sein. In Kanada wurde die Nutzung von Tauschbörsen jetzt gerichtlich für legal erklärt, eine einmalige Rechtsauffassung, wonach Tauschbörsen mit Kopiergeräten in öffentlichen Bibliotheken zu vergleichen seien.
Der Boykottaufruf des Chaos Computer Clubs gegen „die Musikindustrie“ als Ganzes enthält einen Schönheitsfehler: So sehen kleinere Plattenfirmen Tauchbörsen eben nicht als Feinde an, sondern haben auf Nachfrage sogar nichts gegen das Bereitstellen ihrer Stücke in Peer2Peer-Netzwerken. Durch den Boykottaufruf verschwinden sie auch in der Masse der zu schädigenden Gegner. Konsequenter wäre ein Aufruf gegen die fünf großen Musikkonzerne und ihrer Sublabels gewesen.