Neue Überwachungskameras in München

Seit dem 18. Mai überwacht die Polizei mit drei neue Kameras den Münchner Karlsplatz (Stachus), und die Umgebung des Hauptbahnhofes. Eine Kamera befindet sich am Gebäude der Deutschen Bahn am Bahnhofsplatz/Ecke Arnulfstraße, eine weitere am Haus Bayerstraße 21, dem C&A-Haus und die dritte wird den Stachus vom Dach des Hotels „Königshof“ observieren.

Die hochauflösenden digitalen Kameras, die Gesichter in Fotoqualität heran zoomen können, sind die ersten, welche die Polizei speziell zur Personenüberwachung in der Stadt betreibt. Die bereits installierten Kameras der Polizei dienen fast ausschließlich der Verkehrskontrolle. Im Gegensatz zu letzteren werden die Aufnahmen der drei neuen Kameras sieben Tage lang gespeichert und bei Bedarf ausgewertet. Möglich ist diese Art der Videoüberwachung erst durch eine Änderung im bayerischen Polizeiaufgabengesetz geworden.

Nach Aussage des Münchner Polizeipräsidenten Wilhelm Schmidbauer wollen die Beamten die Kameras in einer Art „Modellversuch“ vorerst zwölf Monate betreiben. Sollte sich die neue Technik positiv auf die Kriminalstatistik auswirken, will man die Überwachung fortsetzen und gegebenenfalls auf andere so genannte Brennpunkte in München ausweiten. In den vergangenen Jahren führte die bayerische Polizei bereits zwei dieser Modellversuche in Regensburg und Nürnberg durch.

Kommentar

Die positive Wirkung der dort installierten Kameras auf die Kriminalstatistik wurde von Innenminister Beckstein gegenüber der Öffentlichkeit hoch gepriesen. Aus internen Kreisen konnte man aber erfahren, daß ein großer Teil der Kameras nahezu überhaupt keine Auswirkungen auf die Anzahl der Straftaten hatte. Im besten Fall erreichten die Kameras eine Verlagerung der Delikte in andere nicht-überwachte Stadtbereiche. Dass es zu einem Verlagerungseffekt der Straftaten kommen könnte, streitet Beckstein nicht ab. Studien hätten jedoch gezeigt, dass „am neuen Ort weniger ankommt als man am alten verdrängt“. Diese Studien sollten der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Uns ist keine einzige wissenschaftliche Untersuchung dieser Art bekannt.

Dennoch scheinen die insgesamt 600 zumeist geringfügigen Delikte die stolze Summe von 280.000 Euro für diesen nun bereits dritten Modellversuch zu rechtfertigen. Mehr als ein Drittel (209) sind Verstöße gegen das Asyl- bzw. Ausländerrecht, weitere 92 sind Drogendelikte. Beckstein verschweigt zudem, daß der von ihm als „erschreckend starke “ bezeichnete Anstieg der Straftaten, wenigstens am Stachus nicht zu erkennen ist: Am Stachus wurden 2001 genau 188 Straftaten zur Anzeige gebracht, ein Jahr darauf waren es nur noch 169, 2003 stieg die Zahl wieder auf 209. Es ist nicht klar, ob die tatsächliche Anzahl der Delikte gestiegen ist oder ob lediglich mehr Vergehen auch angezeigt wurden. Zudem wurde nicht bekannt, ob sich der „massive“ Anstieg der Delikte vor allem auf ausländerrechtliche Zwischenfälle bezieht, was aufgrund der propagierten Terrorgefahr naheliegt. Immer wieder werden Personen mit arabischen Aussehens von der Polizei überprüft.

Während Beckstein nun die Viertelmillion in eine Technik investiert, deren Nutzen keineswegs klar ist und deren tatsächlicher Einsatzgrund weiterhin im Dunkeln liegt, häufen sich bei den Polizeibeamten gleichzeitig die unbezahlten Überstunden. Selbst die bayerische Staatskanzlei läßt Beckstein aus Kostengründen lieber von einem privaten Sicherheitsdienst bewachen. Ein Einsatzleiter der Polizei äußerte gegenüber der Süddeutschen Zeitung dann auch seinen Unmut: „Für 280.000 Euro wären mir in Zeiten des Sparens ein paar Beamte mehr lieber gewesen.“

Von der Kritik seitens des Datenschutzbeauftragten Reinhard Vetter war nicht viel zu hören. Dieser übernimmt in Bayern oft nur die Rolle eines rechtsstaatlichen Statisten. Seine Forderung, wenigstens keine Gesichter heranzuzoomen, ist an Realitätsferne kaum zu überbieten. Folglich legte er auch keinen Widerspruch ein, wird aber nach eigenen Aussagen die Effizienz der Kameras aufmerksam prüfen. Vetter: „Als Datenschutzbeauftragter sehe ich diese Entwicklung natürlich mit Sorge, wenn die Räume, in denen sich der Mensch bewegt, immer mehr beobachtet werden.“ Im Stadtrat gab es auch seitens der SPD keine Kritik an den Überwachungsmaßnahmen, lediglich FDP und Grüne protestierten gegen die Installation der neuen Kameras.

So kam es also am 18. Mai so, wie es kommen mußte: Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) nahm im Rahmen eines Pressetermins – nur akkreditierte Journalisten waren zugelassen, wir wurden nicht zugelassen – die Überwachungskameras in Betrieb nehmen wird. So heißt das Motto am Stachus und Hauptbahnhof: Big Brother is watching you. Und kein Gesicht bleibt unerkannt.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 20. Mai 2004
 Kategorie: Nachricht
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