All your code are belong to us

Da hab‘ ich heute mal wieder durch Heise Online geblättert und mir die spannenden Überschriften angeschaut. Bei der folgenden Nachricht bin ich dann stutzig geworden: „US-Patentamt weist eines von Microsofts FAT-Patenten zurück“.

Beim Lesen der Nachricht wurde ich dann jedoch etwas nachdenklich. Da hat also die Firma Microsoft versucht, sich das FAT-Filesystem, noch bekannt aus DOS und Windows 95/98 patentieren zu lassen um von allen Implementierungen des Filesystems Gebühren verlagen zu können. Das Patent wurde jedoch (erstmal) aufgrund früher veröffentlichter Arbeiten gekippt. Also alles in Ordnung, oder?

Der Hintergrund ist ernster Natur

Theoretisch klingt das mit den Software Patenten alles gar nicht so schlecht. Erfinder müssen das Recht bekommen, für ihre Arbeit eine bestimmte Zeit einen angemessenen Betrag für ihre Leistung zu bekommen. So war das schon immer und so soll es auch bleiben. Nur ist die Entwicklung einer Dampfmaschine (zu recht patentierbar) mit vielen Leistungen in der Software-Entwicklung nicht vergleichbar. Die vielgerühmte Schöpfungshöhe, eigentlich das entscheidende Kriterium um primitive und banale Patente zu vermeiden, wird mangels Fachkompetenz der Patentprüfer häufig außer Acht gelassen.

Das amerikanische US Patent and Trademark Office hat sogar „ein besonders effizientes Verfahren zur Invertierung von Schwarz-Weiß Bildern“ zur Patentierung zugelassen. Das Patent reduziert sich auf einen einzigen CPU Maschinenbefehl: XOR BildByte, #&FF.

Praktisch bedeutet das schon heute, jeder Software-Entwickler müsste für jedes noch so primitive Programm Tausende von Patentanmeldungen durchforsten, da ja möglicherweise eine dabei sein könnte, die er gerade verletzt hat. Das Problem wird sogar immer schlimmer. Die Patentbesitzer müssen nur neu erschienene Software nach ihrem speziellen Patent überprüfen. Der Programmierer muß jedoch alle(!) Patente kennen.

Die Folgen sind heute schon sichtbar

Die Stadt München hat die Ausschreibung des Linux-Muster-Clients für die eigene Verwaltung aufgrund der rechtlich unsicheren Lage durch die drohende Patentierung von Software innerhalb der Europäischen Union um mehrere Wochen verschoben. Die Bundesjustizministerin Zypris, gegen den Willen der Mehrheit der Wähler eine Verfechterin von Softwarepatenten, meint jedoch keine Gefahr erkennen zu können. Die lapidare Antwort im Heise-Chat zu diesem Thema: „Grundsätzlich gilt mal: Wenn er nicht abschreibt, ist die Gefahr sehr gering, dass er fremde Rechte verletzt. Um sicherzugehen, gibts die übrigens kostenlose Möglichkeit, in den Datenbanken des Patentamts nach dem Stand der Technik zu recherchieren.“ Eine sehr primitive Sicht der Dinge und einer Bundesministerin eigentlich unwürdig.

Softwarepatente sind eine Bedrohung der Softwareentwicklung

Für große Firmen ist das kein Problem. Entweder werden Lizenzgebühren bezahlt (man betrachte den Streit zwischen Apple und der MPEG-LA um die Lizenzgebühren für MPEG4) oder man einigt sich auf den kostenlosen Austausch einiger Patent- und Nutzungsrechte, wie das z.B. zwischen den diversen Chip-Herstellern regelmäßig passiert. Für die Entwickler freier Software ist dieses Geschäftsmodell jedoch tödlich. Mangels Einnahmen können auch keine Lizenzgebühren bezahlt werden und da ja freie Software programmiert wird, hat man auch keine Patente zum Tauschen.

Wenn sich die Europäische Union mit der Forderung nach Patentierbarkeit von Software gemäß Richtlinienentwurf durchsetzt, wird es in absehbarer Zeit keine neuen Entwicklungen mehr geben. Freie Software stößt an undurchdringliche Patentbarrieren, selbst kommerzielle Entwicklung wird durch die Auseinandersetzung mit den Patentanwälten fast bis zum Stillstand abgebremst.

Welche Lösungen gibt es?

Prinzipiell sind drei Lösungsansätze denkbar:

  1. Ausnahmen von der Patentregelung für freie Software: Es wird jedoch praktisch kaum durchsetzbar sein, für den jeweils unterschiedlichen Einsatzzweck von Software unterschiedliche gesetzliche Regelungen zu schaffen.
  2. Keine Patentierbarkeit von Software: Das wäre der Status Quo, wie er jetzt noch in der EU existiert. Bisher sind Algorithmen patentierbar, nicht jedoch konkrete Implementierungen oder speziell Software. Für die Entwickler freier Software wäre das die ideale Lösung.
  3. Patente mit kurzer Laufzeit: Software Patente mit einer Laufzeit von 20 Jahren sind schlicht nicht akzeptabel, wenn man betrachtet, in welcher Zeit sich die Informationstechnologien weiterentwickeln. Eine Laufzeit von zwei oder maximal drei Jahren würde den Entwicklern immer noch die Möglichkeit geben, mit neuen Entwicklungen durch Lizenzgebühren Geld zu verdienen, jedoch nach relativ kurzer Zeit die Technologien für die Nutzung in neuer Software freigeben.

Wenn sich jedoch die Nutznießer von Patenten mit langer Laufzeit durchsetzen, besteht die Gefahr, daß mittelfristig nur noch wenige große Konzerne überhaupt noch Software entwickeln können. Hier können uns Indien und China eine Lehre sein. Beide Länder haben mehrere hundert Millionen US-Doller Fördergelder von Microsoft in die Entwicklung freier (Linux-)Software geleitet.

In der Sache selbst sehe ich in Europa leider wenig Hoffnung. Die Bundesregierung und die EU-Kommission versuchen, gegen den erklärten Willen des Europäischen Parlaments und der Mehrheit der deutschen Bevölkerung Patente auf Software durchzusetzen. Das europäische Patentamt in München, bekannt unter anderem für die illegale patentieren von menschlichen Genen, hat inzwischen unter Verstoß gegen bestehende Gesetze rund 20.000 Softwarepatente angenommen. Wenn diese Patente nachträglich legalisiert werden, dürften etwa die Hälfte der mittelständisch geprägten Softwarefirmen in Deutschland schließen und rund 150.000 Arbeitnehmer freistellen. Nur leider haben die keine Lobby in Brüssel.

 Autor: cg
 Veröffentlichung: 7. Oktober 2004
 Kategorie: Bericht
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