Noch in diesem Herbst möchte Bundesinnenminister Otto Schily die neuen Reisepässe mit erweiterten biometrischen Merkmalen einführen. Damit setzt die Bundesregierung die im Dezember beschlossene europäische Richtlinie zu biometrischen Merkmalen in Reisepässen um.
Der neue Reisepaß soll den Bürger nach Angaben des Innenministeriums 130 Euro kosten. Otto Schily betont aber, daß ein großer Teil dieses Betrags vom Staat übernommen würde. Das ändert nichts an den 690 Mio Euro Einführungskosten und 610 Mio Euro jährlichen Unterhaltskosten; wir berichteten.
Verwendung finden die Gelder in einem neuen RFID-Chip (Radio Frequence Identification). Mit diesem Chip können zusätzlich zum gewöhnlichen Lichtbild auch eine digitalisierte Version des Gesichtsprofils und ebenfalls digitale Fingerabdrücke in den Paß aufgenommen werden.
Die Daten des Paßinhabers können mittels RFID kontaktlos via Funk vom Chip zu einem bis zu mehreren Metern entfernten Lesegerät übertragen werden, auch ohne Wissen des Betroffenen. Der damit verbundenen Gefahr unerlaubter Datenzugriffe soll mit kryptographischen Mitteln entgegen gewirkt werden.
Neben diesem datenschutzrechtlichen Problem weisen die digitalisierten biometrischen Merkmale gravierende Sicherheitsmängel auf. So läßt sich der elektronische Fingerabdruck mit grundlegendem technischen Wissen fälschen. Der Chaos Computer Club gibt hierzu eine detaillierte Anleitung.
Auch die bisherigen Testläufe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zeichnen ein trauriges Bild der Technik. Einer vor drei Monaten veröffentlichten Studie des BSI zufolge ist die Fehlerquote mit 23 Prozent für den praktischen Einsatz viel zu hoch. Zudem seien die Daten trotz Verschlüsselung unbefugt lesbar und kopierbar. Aus diesem Grund hat der Chaos Computer Club einen Forderungskatalog für die Sicherheit biometrischer Systeme vorgelegt.
Wie Dr. Peter Hess, Chef der Paßherstellers Berotronika, anmerkt, lösen die neuen Pässe auch das Problem der Blanko-Pässe nicht. So lassen sich mit der im Internet erhältlichen Software RFDump RFID-Chips kinderleicht manipulieren. Trotz alledem behauptet der Bundesinnenminister Otto Schily weiterhin, daß die neuen Pässe absolut sicher sind.
Außerdem beruft er sich auf die EU-Richtlinie, die er umsetzen müsse. Nicht zu vergessen: Diese Richtlinie wurde vom Rat der Innen- und Justizminister entworfen und mit fragwürdigen Mitteln durch das europäische Parlament geboxt. Nun soll sie möglichst schnell und ohne öffentliche Debatte in nationales Recht überführt werden.
Über dieses Vorgehen des Innenministers beschweren sich nun sogar die eigenenen Genossen in der SPD, so etwa die Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt gegenüber dem Politmagazin Monitor:
„Ich halte die Informationspolitik des Innenministeriums für intransparent – auch gegenüber den Mitgliedern des Deutschen Bundestages wirklich für schwer erträglich und ich glaube, sie ist auch eine Zumutung gegenüber den Bundesbürgern, denn es finden mit der Einführung dieser Biometrie-Ausweise schon sehr weitgehende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte statt. Und dazu ist nach deutscher Gesetzgebung ein parlamentarisches Verfahren notwendig.“
Selbst mehrfache Anfragen der Bundestagsabgeordneten seien vom Innenministerium nicht beantwortet worden. Auch die FDP kritisiert diese Verfahrensweise. Im Dezember stellte sie deshalb eine diesbezügliche kleine Anfrage an die Regierung. Eine Antwort steht bis heute aus.
Die Moderatorin des Politmagazins Monitor, Sonia Mikich, empfielt daher allen Bundesbürgern: „Wenn Sie Ihre biometrischen Daten nicht hergeben wollen, beantragen Sie bis September einen neuen alten Paß. Der ist nämlich 10 Jahre gültig.“
- Politmagazin Monitor: „Die neuen Reisepässe: teuer, sinnlos und riskant“
- Der Große Bruder: „Biometrische Merkmale in Paß und Personalausweis“
- Der Große Bruder: „Biometrische Personalausweise 2007“
- Der Große Bruder: „Ab 2005 biometrische Merkmale im eidgenössischen Paß“
- Institut für biometrische Identifikationssysteme