Seit heute tagen zum achten Mal über eintausend Vertreter der Polizei, der Nachrichtendienste sowie der Regierungen und Parlamente aus ganz Europa in Berlin. Bereits am morgen ab ließen die Worte von Harald Lemke, Staatssekretär im Hessischen Innenministerium und Beauftragter für E-Government Fragen der Regierung, Datenschützer und Bürgerrechtler aufhorchen.
Der Staatssekretär sprach zur Bedeutung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien für die Sicherheitskräfte. Lemke bezeichnete die digitale Welt als Grauzone. Für die Sicherheitskräfte werde es immer schwieriger, dieser „Nebenwelt“ Herr zu werden. Sie stelle eine enorme strategische Herausforderung dar: „Das Internet 2010 ist anonym, alles ist verschlüsselt.“ Jene Technologien, die einerseits die Privatssphäre schützen sollen, erschweren andererseits die Arbeit der Polizei. Besonderen Anstoß findet Lemke an Werkzeugen zur Anonymiosierung, speziell an jenem vom Bundeswirtschaftsministerium finanzierten Forschungsprojekt AN.ON.
In diesem Zusammenhang brandmarkte Lemke das unabhängige Datenschutzzentrum in Schleswig-Holstein (ULD) der Beihilfe zu Straftaten. Kriminelle bekämen dort praktische Hilfestellungen zum Verwischen ihrer Spuren. Dieser Entgleisung folgte ein weiterer Hieb gegen die Datenschützer in Kiel. Daß diese „gerichtliche Erfolge gegen das BKA feiern“, könne sogar einen Norddeutschen „emotional machen“, zitiert Heise Online den Staatssekretär.
Damit stellte er indirekt das deutsche Datenschutzrecht in Frage. 2003 hatte das Bundeskriminalamt (BKA) einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß erwirkt, um an die Daten des Anonymisierungsdienstes JAP zu kommen. Dieser wird in Dresden von AN.ON in Zusammenarbeit mit dem ULD betrieben. Im Herbst desselben Jahres stellte das Landgericht Hessen aber die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses fest.
Mit geradezu verschwörunstheoretischen Ausflügen schmückte Lemke seine Szenario aus: „Glücksspiel und virtueller Sex wird von einer global agierenden Industrie angeboten, die von ständig wechselten Lokationen aus agiert.“ Natürlich vergaß Lemke auch das wichtigste Totschlagargument für Einschnitte in digitale Bürgerrechte nicht: „die widerwärtigste Form der Internet-Kriminalität: die Kinderpornographie.“
Zu guter Letzt führte Lemke die Hörer über die Probleme der organisierten Kriminalität und des internationalen Terrorismus zu seinem ureigenen Resümee: „Wer den globalen Cyberspace 2010 nur unter den Blickwinkel Privacy betrachtet, verabschiedet sich von jeder ernsthaften Debatte.“ In diesem Sinne, gute Nacht!