Der hamburgische Innensenator Udo Nagel hat am gestrigen Donnerstag die polizeiliche Anlage zur Videoüberwachung der Reeperbahn in Betrieb genommen. Damit werden die Bilder von zurzeit noch zehn Kameras aus dem Bereich zwischen dem Millerntorplatz und Nobistor auf eine Bildschirmwand in die Polizeieinsatzzentrale übertragen.
Bis Mai diesen Jahres werden zwei weitere Kameras hinzukommen. Grund dieser Verzögerung sind noch laufender Baumaßnahmen am Spielbudenplatz. Rechtliche Grundlage der Überwachung ist das im letzten Jahr novellierte Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei in der Hansestadt:
„§ 8 Absatz 3, PolDVG: Die Polizei darf öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung offen beobachten, soweit an diesen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.“
Die Polizei begründet den Einsatz der Kameras mit der überdurchschnittlichen Kriminalitätsrate. Mit Gewalt- und Drogendelikten zählt die Reeperbahn zur Kategorie Kriminalitätsschwerpunkt. Den Zeitpunkt der Inbetriebnahme erklärt Nagel mit der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft.
Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf 620.000 Euro. Die installierten Kameras sind schwenk- und zoombar. Mehrsprachige Schilder weisen auf die Videoüberwachung hin. Die aufgenommenen Bilder werden bis zu einem Monat aufbewahrt. Einzelbilder oder auch Videosequenzen können vor Gericht als Beweismittel verwendet werden.
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski sieht bei diesem Projekt keine Bedenken. Kritik übt Lubomierski jedoch an der Definition von Kriminalitätsschwerpunkt. Laut Polizei genügen lediglich zwei Straftaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums, um einen Ort als Kriminalitätsschwerpunkt zu deklarieren. Lubomierski mahnt daher Verhältnismäßigkeit an.
Weitere Kritik kommt von Stefan Czerwinski, Kriminologe und Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Videoüberwachung und räumliche Wahrnehmung“ an der Universität Hamburg. Die Kameras auf der Reeperbahn sind nach Czerwinski nicht präventiv wirksam, weil man es auf Hamburgs sündiger Meile vor allem mit nicht geplanten Affekttaten zu tun hat. Zudem würden sich andere, geplante Straftaten nur in die Seitenstraßen verlagern.
Nicht wirklich geklärt ist, wie die Verdeckung der nicht zu überwachenden Wohn- und Geschäftsbereiche umgesetzt werden soll. Die Polizei spricht hier etwas unklar von einer entsprechenden Programmierung der Kameras. Ebenso fehle es an unabhängigen Kontrollen der Überwachungsmaßnahme. Schließlich wird laut Czerwinski die Unschuldsvermutung durch präventive Observation umgekehrt.