Flugverkehr und Terrorismus: Restriktionen als Placebo?

Über den Fall Litwinenko selbst möchte ich nicht direkt schreiben, er wird zur Genüge in den klassischen Medien ausgebreitet. Interessanter ist die Frage, wie radioaktives Material in diesem Geheimdienstthriller mit Hilfe von Verkehrsflugzeugen von Russland nach London gelangen konnte.Als ein paar Islamisten, die zu viele Actionfilme gesehen hatten, geplant hatten, durch das Mischen zweier Flüssigkeiten an Bord eines Flugzeugs eine Bombe zu erzeugen, wurden sofort sämtliche Flüssigkeiten aus dem Handgepäck von Passagieren verbannt. Zwar verwiesen Chemiker darauf, dass dieses Szenario nur in Spielfilmen funktioniert, jedoch nicht im realen Leben, dennoch muss jeder Fluggast jetzt die Flüssigkeiten aus dem Handgepäck in kleine Plastikbeutel packen. Die man wiederum natürlich auch jederzeit heimlich an Bord wieder öffnen könnte.

„Da wurde was für die Sicherheit getan, da wurde gehandelt“, mag der geneigte Wähler glauben, der auch einige Actionfilme gesehen hat und sie für bare Münze hält. Aber wie sieht es mit anderen Gefahren aus? Es mag zynisch klingen, aber ein explodiertes Flugzeug tötet maximal 270 Personen, während eine sogenannte schmutzige Atombombe ganze Städte auf Jahrzehnte unbewohnbar machen könnte.

911_ua-flight-175-hits-wtc-south-towerEine schmutzige Atombombe ist eine konventionelle Bombe, deren Aufgabe darin besteht, radioaktives Material zu verteilen. Bomben basteln geht relativ einfach, in manchen Ländern des Nahen Ostens wird dies täglich durchgeführt, die Schwierigkeit besteht darin, an genügend radioaktive Substanzen zu kommen. Da genügend davon beim Betrieb von Kernkraftwerken anfallen, sollte es auch kein Problem sein, oder?

Aber halt: Kernkraftwerke und die radioaktiven Materialien unterliegen strengen Kontrollen, über jedes Gramm wird – zumindest offiziell – genau berichtet, es darf nichts verloren gehen. Jedoch gibt es in einigen Ländern nicht immer so perfekt funktionierende Apparate, womit nicht (nur) wie üblich Russland gemeint ist, insbesondere soll auch Iran in Zukunft Kernenergie „friedlich“ nutzen dürfen. (Womit ich der iranischen Regierung nichts vorwerfen möchte, ich könnte ebenso China oder Pakistan als Beispiele anführen, auch mancher Kraftwerksbesitzer könnte froh sein, wenn ein Teil seines Abfalls verschwindet.)

Der springende Punkt ist, dass es unmöglich ist, einen Diebstahl oder absichtliches Verschieben von radioaktiven Substanzen zu verhindern. Aber es sollte durchaus möglich sein, das Verbreiten solcher Substanzen über Grenzen hinweg zu unterbinden, schließlich ist es der Sicherheit dienlicher als das Verbot von Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen. Durch die Verstrahlung von Alexander Litwinenko, der wohl gezielt getötet wurde, wurden auch andere Personen gefährdet. Dieselbe Menge Polonium-210, die durch eine Bombe in ganz London verteilt worden wäre, hätte die Stadt unbewohnbar gemacht.

Aber welche Maßnahmen sind notwendig, um dies zu verhindern? Um ehrlich zu sein, kenne ich keine Lösung. Eines ist aber klar: Alle bisherigen Maßnahmen waren rein symbolische Aktionen ohne irgendeinen Erfolg, seien es die No-Fly-Listen oder das Verbot von Babybrei. Das Geld für diese Schnellschuss-Placebos wäre in sinnvollen Gefahrenanalysen besser angelegt gewesen, die vermutlich andere Aktionen vorgeschlagen hätten. Aber bei Weitem nicht so sexy sind wie das Verhindern von Actionfilm-Szenarien.

 Autor: Thomas Mayer
 Veröffentlichung: 13. Dezember 2006
 Kategorie: Kommentar
 Tags:

Schreibe einen Kommentar