Die Chefs des KGB (III): Andropow, Fedortschuk, Tschebrikow, Krjutschkow und Bakatin (1967-1991)

Dieser Artikel entstand unter Mitarbeit von Jan-Markus Pinjuh.

In Andropows Amtszeit wurde Einiges für das angeschlagene Image des KGB getan. Auch mäßigte sich das harte Vorgehen des Geheimdienstes gegen Staatsfeinde und Dissidenten. Sein Nachfolger Fedortschuk begleitete das Amt nur ganze sieben Monate und wurde 1982 von Tschebrikow abgelöst, dem mit dem Überläufer Aldrich Ames ein spektakulärer Erfolg. Gleichwohl geht aber auch der Abschuß von einer koreanischen Passagiermaschine auf sein Konto. 1988 wird er durch Krjutschkow ersetzt. Dieser sabotiert die Reformpläne Gorbatschows und putscht schließlich im August 1991 gegen ihn, ergfolglos. Daraufhin wird er durch Bakatin abgelöst, der von Gorbatschow den Auftrag zur Auflösung des KGB erhält – der Anfang von Ende des größten sowjetischen Geheimdienstes.

  1. Juri Vladimirowitsch Andropow (1967-1982)
  2. Vitali Wassiliewitsch Fedortschuk (1982)
  3. Viktor Michailowitsch Tschebrikow (1982-1988)
  4. Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow (1988-1991)
  5. Wadim Wiktorowitsch Bakatin (1991)

Juri Vladimirowitsch Andropow (KGB, 1967-1982)

Juri Vladimirowitsch Andropow wurde am 15. Juni 1914 in Nagutskaja (im Kaukasus) geboren. Mit 16 Jahren verließ er die Schule und landete nach diversen anderen Tätigkeiten beim Komsomol, der auch ihm – wie vielen anderen Funktionären – als Karriereleiter diente. Er gehörte zweifellos zu den Aufsteigern in der Stalinzeit: 1938 wurde er Erster Sekretär des Jaroslaw-Komsomol, zwei Jahre später Erster Sekretär des Komsomol in der neugegründeten kareo-Finnischen Republik. Während des Zweiten Weltkriegs diente er als Kommissar bei Partisaneneinheiten.

Nach dem Krieg kehrte Andropow zum Komsomol zurück und wurde 1951 in das Zentralkommitee der Kommunistischen Partei kooptiert. Zwei Jahre später ging er als Botschaftsmitarbeiter nach Ungarn und übernahm dort von 1954 bis 1957 den Posten des sowjetischen Botschafters. Während dieser Zeit (1956) kam es zu der großen Volkserhebung in Ungarn, die auf Andropows Betreiben von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen wurde. Nach seiner Rückkehr nach Moskau 1957 wurde der ausgewiesene „Spezialist für Völkerverständigung“ Andropow zum Vorsitzenden des Ausschuses für die Zusammenarbeit mit sozialistischen Ländern des ZK ernannt; 1962 wurde er schließlich in das Sekretariat des ZK berufen.

Als Andropow 1967 an die Spitze des KGB kam, hatte der berühmt-berüchtigte Geheimdienst etliche Pleiten und Pannen einstecken müssen, von denen die geglückte Flucht der Stalin-Tochter, der offzielle Entlassunggrund für seinen Vorgänger, am meisten Aufsehen erregte. Wesentlich schmerzlicher war die Geschichte mit dem „internen Leck“ Oberst Oleg Penkowski, der dem Westen wichtige Informationen von KGB-Agenten im Ausland verraten hatte. Auch der Sechs-Tage-Krieg, vor dem der KGB die befreundeten Araber-Staaten nicht hatte warnen können, war eine große Schlappe.

Um die Effizienz des Geheimdienstes sowohl im In- als auch Ausland zu steigern, ließ sich Andropow von dem britschen Überläufer Harold „Kim“ Philby, einem englischen Agenten wie er in James Bond-Filmen vorkommt, beraten. So wurde vor allem die Ausbildung der Geheimdienstmitarbeiter verbessert, und Agenten vornehmlich im Moskauer Institut für Internationale Beziehungen rekrutiert, die für ihre späteren Einsatzgebiete Kenntnis in Diplomatie und Wirtschaft mitbrachten.

Auch im Inland änderte der Geheimdienst altbewährte (und liebgewonnene) Methoden: Statt Gulag wurden Staatsfeinde in die Psychatrie gesteckt und Dissidenten drohte Ausbürgerung statt Liquidierung. Schließlich wurde eine PR-Kampagne in Kino und Fernsehen gestartet und der sowjetischen Bevölkerung die heldenhaften Taten ihrer Geheimdienste von Dzierzynskis Zeiten an vorgeführt.

Am 12. November wurde Andropow, der seit 1973 Mitglied des Politbüros war, zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Die nur 15 Monate dauernde Amtszeit des gesundheitlich stark angeschlagenenen Kreml-Chefs brachte keine große Veränderungen, wenngleich Andropow bemüht war, die Wirtschaft zu verbesseren und der Korruption in Staat und Partei Einhalt zu gebieten. Mehr Erfolg, vor allem in der Öffnung zum Westen, war seinem politischen Ziehkind Gorbatschow beschieden. Andropow, der am 9. Februar 1984 starb, ist dem Westen weniger als KGB-Chef als vielmehr der netter Onkel im Osten, der westliche Musik mochte und Whisky dem Wodka vorzug, im Gedächtnis geblieben.

Vitali Wassiliewitsch Fedortschuk (KGB, 1982)

Vitali Wassiliewitsch Fedortschuk wurde 1918 in Ognojonka (Region Zhitoirskaja) geboren und kam 1939 zum Geheimdienst. Als junger NKWD-Mann bekämpfte er die romtreue Unierte Ukrainische Kirche, stieg innerhalb des Apparats auf und wurde 1970 KGB-Chef der Ukraine. Als bekannter Hardliner der Parteiideologie verfolgte er unnachgiebig Dissidenten. So wurde Fedortschuk am 26. Mai 1982 dann auch folgerichtig zum Nachfolger Andropows als Chef des KGB ernannt.

In seiner knapp sieben Monate währenden Amtszeit wurde die allgemeinen Telefonverbindungen ins Ausland stark beschnitten und die Zensur weiter verschärft. Am 17. Dezember 1982 wurde Vitali W. Fedortschuk schließlich zum Innenminister der UdSSR ernannt. Von Michael Gorbatschow geschasst, wechselte Fedortschuk 1986 als Generalinspekteur der Armee ins Verteidigungsministerium. Er starb am 29. Februar 2008 nach langer Krankheit in Moskau.

Viktor Michailowitsch Tschebrikow (KGB, 1982-1988)

Viktor Michailowitsch Tschebrikow wurde am 27. April 1923 in Dnjeprpetrows geboren. Im Zweiten Weltkrieg avancierte er vom Leutnant zum Major, wurde aber von der berühmten Frunze-Militärakademie wegen Kurzsichtigkeit entlassen. 1950 beendete er das Studium der Metallverarbeitung in Dnjpepetrows und arbeitete im städtischen Metallkombinat.

Elf jahre später wurde Tschebrikow Parteisekretär von Dnjeperpetrows. Obwohl er nie eine Geheimdienstlaufbahn angestrebt hatte, kam er als guter Freund Breschnews 1967 zum KGB und wurde dort ein Jahr später stellvertretender Vorsitzender. Er bemühte ich mit Andropow um die Bekämpfung der Korruption und wurde am 17. Dezember 1982 Nachfolger Fedortschuks als KGB-Chef. Gleichwohl war er nicht die erste Wahl bei der Besetzung des Postens.

Als KGB-Chef gelang Tschebrikow mit dem Überläufer Aldrich Ames ein spektakulärer Erfolg und die Zerschlagung gegnerischer Netzwerke. Er zeichnete sich aber auch für den Abschuß einer koreanischen Passagiermaschine (KAL 007) mit über 200 Toten verantwortlich, die sich versehentlich in sowjetischen Luftraum verirrt hatte.

Unter Gorbatschow vom Kandidaten zum Mitglied des Politbüros aufgestiegen, unterstützte Tschebrikow zunächst die Perestrojka seines Förderers. In dieser Zeit nahm auch die Zahl der Verhaftungen ab. Als die sowjetischen Medien die Verbrechen der Stalin- und Breschnew-Ära aufdeckten, gab Tschebrikow zu, daß sowjetische Sicherheitsorgane immer wieder Gesetze gebrochen hätten, betonte aber die Reformen unter seiner Leitung.

Ende 1987 gerieten Tschebrikow mit Gorbatschow offen in Konflikt. Tschebrikow fürchtete nämlich, daß die in aller Offenheit zu Tage tretenden Spannungen der sowjetischen Führung und den zahlreichen Minderheiten die Stabilität der Sowjetunion unterminieren würden. Der KGB griff wieder härter durch und löste etwa die Demonstration sowjetischer Juden brutal auf. Am 1. Oktober 1988 wurde er dann von Gorbatschow entlassen und durch Wladimir Krjutschkow ersetzt.

Tschebrikow wurde mit der Kontrolle einer Politbüro-Kommission zur Reform des sowjetischen Rechtes betraut, zog sich aber ein Jahr später aus der Politik zurück. Bei einem Interview antwortete er später auf die Frage, ob er den Abschuß des koreanischen Passagierflugzeugs und die Unterdrückung der Minderheiten immer noch für richtig halte, antwortete er, daß man die Vergangenheit nicht mit dem Wissen der Gegenwart beurteilen dürfe. Vom FSB, der Nachfolgeorganisation des KGB, wurde Tschebrikow wegen des Einsatzes für seine Mitmenschen hochgeehrt. Tschebrikow starb am 2. Juli 1999.

Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow (KGB, 1988-1991)

Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow wurde am 29. Februar 1924 in Zarizyn (heute Wolgograd), das ein Jahr später in Stalingrad umbenannt wurde, als Sohn einer Arbeiterfamilie geboren. Während des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945) trat er der Jugendorganisation der KPdSU, dem Komsomol bei. Kurze Zeit später wurde er dort Kreissekretär und übernahm 1946 den Posten des Zweiten Sekretärs in der Stadtverwaltung von Stalingrad. Bis 1954 begleitete Krjutschkow so den Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg fast völlig zerstörten Stadt an der Wolga.

Parallel zu seiner Arbeit in der Stadtverwaltung studierte Krjutschkow bis 1949 Rechtswissenschaften und genoß anschließend die Ausbildung an der Diplomatenhochschule des Außenministeriums, was ihn in Folge zum diplomatischen Dienst der UdSSR brachte. Seiner Stelle als 3. Sekretär der sowjetischen Botschaft in Budapest bescherte ihm ein für seine weitere Karriere wichtiges Treffen mit dem dortigen sowjetischen Botschafter Juri Andropow. Dieser ernannte ihn als Sekretär des ZK der KPdSU für die Beziehungen zu den kommunistischen Parteien und Arbeiterparteien Osteuropas 1959 zum Leiter der Sektion Ungarn.

Ein knappes Jahrzehnt später folgte Krjutschkow 1967 Andropow – als der zum KGB-Chef aufstieg – zum KGB. Krjutschkow stieg dort in den nächsten Jahren zum Vorsitzenden (ab 1974) der Auslandsaufklärung (I. Hauptverwaltung). Andropow beförderte seinen Gefolgsmann schließlich 1978 zum stellvertretenden Chef des Geheimdienstes. 1986 stieß Krjutschkow in das Zentralkomitee der KPdSU vor. Schließlich ließ Gorbatschow im Oktober 1988 den in dessen Augen zu hart agierenden KGB-Chef Tschebrikow durch Wladimir Krjutschkow ersetzen.

Als Mitglied des Politbüros stellte er sich zunehmend gegen die Reformen Gorbatschows. Er befürchtete, daß Gorbatschows Pläne die Autorität des Kremls und die Einheit der UdSSR untergraben würden. Um dem entgegen zu wirken, versuchte er und seine Gefolgsleute den Präsidenten zu diskreditieren. Aus diesem Grund organisierten sie separatistische Aufstände in den sowjetischen Republiken u.a. in Baku (Aserbaidschan), Tiflis (Georgien), Vilnius (Litauen) und Riga (Lettland). Wie vermutet, war Gorbatschow gezwungen, diese Unruhen gewaltsam niederzuschlagen, um ein chaotischen Auseinanderfallen der UdSSR zu verhindern. Dabei nahm sein öffentliches Ansehen signifikanten Schaden.

Im Dezember 1990 warnte Krjutschkow im Fernsehen vor dem Kollaps der Sowjetunion und drohte mit in solch einem Fall mit dem Einsatz der KGB-eigenen Truppen. Am 19. August 1991, einen Tag bevor Gorbatschow und eine Gruppe der Staatenführer der Sowjetrepubliken einen neuen Unionsvertrag unterzeichnen wollten, versuchte eine Krjutschkow zusammen mit einer Gruppe hoher Funktionäre die Macht in Moskau zu ergreifen und putschten gegen Gorbatschow. Doch sie scheiterten am Widerstand der Bevölkerung und der Opposition unter der Führung Jelzins.

Umgehend wurde Krjutschkow durch Bakatin als Vorsitzender des KGB ersetzt. Nach der Ära Jelzin faßte er langsam wieder Fuß und galt bis zu seinem Tod am 23. November 2007 als Unterstützer Putins. Sein Sohn war in den 90iger Jahren unter Jewgenij Primakow, dem Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR (Nachfolgers der Ersten KGB-Hauptverwaltung) in der Schweiz stationiert und war maßgeblich an der Vertuschung der Kapitalflucht nach dem Zusammenbruch der UdSSR beteiligt.

Wadim Wiktorowitsch Bakatin (KGB, 1991)

Wadim Wiktorowitsch Bakatin wurde am 6. November 1937 in der sibirischen Bergbaustadt Kisseljowsk geboren. Er studierte an der technischen Universität in Nowosibirsk und arbeitete 1960 bis 1973 als Bauingenieur. 1964 trat er in die KPdSU ein und arbeitete von 1973 bis 1988 als 2. Sekretär in der Stadtverwaltung des Bergbau- und Schwerindustriezentrums Kemerowo nahe Nowosibirsk. 1985 wird er Mitglied des ZK der KPdSU und 1. Kreisekretär von Kirow. 1987 kehrt er in gleicher Position nach Kemerowo zurück.

1988 steigt Bakatin endlich in die erste Führungsriege auf und wird Innenminister der UdSSR. Nach dem gescheiterten Putsch gegen Gorbatschow wird er der letzte Vorsitzende des KGB. Sein Auftrag: Die Auflösung des Geheimdienstes. Am 6. November 1991 beendet er seine Aufgabe und der KGB hört auf zu exisitieren. Bakatin leitet den zeitweilig ins Leben gerufenen MSB (Zwischenrepublikanischer Sicherheitsdienst) bis 1992 und wechselt anschließend in die Wirtschaft. Bakatin ist der letzte noch lebende KGB-Chef und ein berühmtes Zitat des Gefolgsmann Gorbatschows soll so den Schlußpunkt unserer Reihe bilden: „Aus dem Sozialismus einen Kapitalismus zu machen ist wie Eier aus Omlette machen“.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 3. Juni 2008
 Kategorie: Bericht
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