Was tun? Oder: Ist der Datenschutz noch zu retten?

Wenn in Diskussionen das Thema Datenschutz angesprochen wurde, lautete die Standardantwort bis vor einem Jahr: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Mittlerweile höre ich immer öfter statt dessen die Antwort: „Gegen Überwachung kann man sowieso nichts unternehmen.“

Gerade dieser Fatalismus macht mir Sorgen, weil ich mir immer wieder nach Möglichkeiten suche, diesen zu widerlegen. Weil ich bislang keine Lösung gefunden habe, möchte ich zumindest eine grobe Gegenstrategie formulieren, wie meiner Meinung nach der Datenschutz gerettet werden kann. Kurzfassung: It’s complicated.

Schützen kann sich nur eine Elite

Seien wir ehrlich: Bei Kryptoparties wird Menschen gezeigt, wie sie ihre Emails verschlüsseln können. Trotzdem nutzt es praktisch niemand, selbst wenn das Einrichten einfach ist. Selbst ich kann die Zahl der Kontakte, mit denen ich verschlüsselt kommuniziere an zwei Händen abzählen.

Wer auch noch andere Dinge als Email verschlüsseln möchte oder nicht die technische Expertise mitbringt, sich selbst zu schützen, muss dafür Geld ausgeben: 2200 US$ ist eine Menge.

Es können sich also zwei elitäre Gruppen schützen: Personen mit technischer Expertise und Personen mit entsprechend viel Geld. Und genau diese schützen sich auch, aber nicht der Rest.

Wer also sagt, dass jeder sich schützen kann, übersieht, dass er oder sie selbst zu den privilegierten Gruppen gehört, ist also entweder ignorant oder aber unsozial, weil implizit die anderen marginalisiert werden.

Deine Inhalte sind komplett egal

Selbst wenn wir unsere Kommunikation komplett verschlüsseln, nützt es nichts gegen Überwachung. Tatsächlich sind die Inhalte egal. Es genügt, das Beziehungsgeflecht zwischen Personen zu analysieren, dabei spielen Inhalte keine Rolle. Wer mit wem Daten austauscht, ist dafür vollständig ausreichend.

Man kann es nicht oft genug sagen: Menschen werden getötet, weil sie bestimmte Beziehungen pflegen. Noch einmal die Aussage des Ex-CIA-Chefs auf der Zunge zergehen lassen: We kill people based on metadata.

Die Daten, die wirklich interessieren, sind also Metadaten, also Daten über Daten. Daten darüber, wer mit wem kommuniziert. Und diese Daten fallen automatisch an, weil das Internet überhaupt nicht datenschutzkonform geplant ist. Jeder Router kann mitlesen, dass die Daten von A nach B geschickt werden.

Das heißt aber auch in Bezug auf den ersten Abschnitt: Verschlüsselung ist nutzlos, wenn die Kommunikationspartner nicht anonymisiert werden. Dies geht teilweise mit TOR. Auch dieses Netzwerk wird immer wieder angegriffen.

Man möchte aber dennoch wissen, ob das Gegenüber bei der Kommunikation das gewünschte Gegenüber ist. Bei einer anonymisierten Kommunikation ist dies aber nicht problemlos möglich. Mist.

Die datenschutzkritische Spackeria

Eine mögliche Antwort darauf lieferte die datenschutzkritische Spackeria. Deren Aussage in Kürze: Wenn man sich nicht wehren kann, dann muss man darauf hinarbeiten, dass Datenschutz nicht mehr notwendig ist, weil alle Daten grundsätzlich öffentlich ist.

Da diese Daten aber die Währung der Gegenwart sind, sollen die Menschen auch Geld für diese erhalten. Aber dadurch gibt man seine Autonomie auf.

Auch wird dadurch ein Ungleichgewicht hergestellt, weil nicht alle Menschen gleich wertvolle Daten erzeugen: Welcher Werber interessiert sich für die Daten eines Menschen am Existenzminimum, wenn gleichzeitig die Daten von gutverdienenden weißen Männern zur Verfügung stehen. Die Kluft zwischen Reich und Arm wird dadurch weiter verstärkt.

Auch wird dabei wird übersehen, dass es immer Menschen geben wird, die auf Datenschutz angewiesen sind. Menschen, die sich vertraulich über Krankheiten austauschen möchten. Menschen, die die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen verändern möchten. Menschen, die Missstände aufdecken möchten.

Diese Menschen müssen die Möglichkeit haben, vertraulich zu kommunizieren. Wenn aber nur diese ihren Datenschutz einfordern, werden diese durch ihr Verhalten bereits stigmatisiert und angreifbar. Kurz gesagt: Wer freiwillig auf Datenschutz verzichtet, verhält sich unsozial denjenigen gegenüber, die diesen benötigen.

Ist es nur eine Frage der Macht?

De facto sind unsere Bewegungen nachvollziehbar, da die meisten Menschen ein Mobiltelefon mit sich herum tragen, das auch dauernd in das Telefonnetz eingebucht ist. Um einen Anruf an das Telefon durchleiten zu müssen, muss auch jederzeit der Standort bekannt sein.

Dadurch ergibt sich automatisch, dass wir immer ortbar sind. Es stellt sich nur die Frage, wer auf diese Ortungsdaten zugreifen darf. Das sind zumindest der Telefonanbieter, danach die Geheimdienste, die sich über Gesetze hinwegsetzen und schließlich noch die Polizei, deren Befugnisse auch ständig ausgeweitet werden.

Aktuell ist die Technik also so gestrickt, dass Datenschutz nicht technisch durchgesetzt werden kann. Auch wenn die Datenmenge immer größer wird, die anfällt, so wird die Analyse dieser riesigen Mengen in größerem Maße einfacher: Ein modernes Smartphone hat mehr Rechenleistung als ein 5 Jahre alter Desktop-Rechner bei deutlich geringerem Energieverbrauch.

Ein Ruf nach technischen Lösungen ist also zu kurz gegriffen, solange der Staat lieber Geld für die Überwachung von sozialen Netzwerken statt für mehr Datenschutz und -sicherheit ausgibt. Solange bleiben technische Lösungen weiterhin eine Insellösung für die oben angesprochene Elite.

Es ist also ein gesellschaftliches Umdenken notwendig. Eine Einsicht, dass Datenschutz wichtig für eine demokratische, pluralistische Gesellschaft ist. Ein Diskurs über den Weg zu mehr Datenschutz. Und erst zuletzt eine Technik-Revolution, die die Ergebnisse dieses Diskurses widerspiegelt.

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