Informationsfreiheit in Deutschland

Seit Anfang 2006 können interessierte Bürger Einsicht in amtliche Informationen der Bundesbehörden nehmen. Grundlage dafür bietet das entsprechende Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Jeder kann demnach bundesweit amtliche und behördliche Auskunft verlangen, und zwar auch dann, wenn die betreffenden Informationen ihn nicht persönlich betreffen.

Doch wie kam es zu diesem Gesetz? Und welche konkreten Chancen bieten sich den Bürgern? Wie genau ist das neue Gesetz zu nutzen? Und wo liegen die Grenzen des IFG? Welche weiteren gesetzlichen Grundlagen für behördliche Auskünfte gibt es? Diesen Fragen werden wir im Folgenden nachgehen.

  1. Von der Amtsverschwiegenheit zur Informationsfreiheit
    1. Informationsfreiheit: Was?
    2. Informationsfreiheit: Warum?
    3. Informationsfreiheit: Wo und Wie?

  2. Bisherige gesetzliche Regelungen in Deutschland
    1. Sauberes Trinkwasser? Das Umweltinformationsgesetz (UIG)
    2. Giftige Nudeln? Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
    3. Noch Fahndungsfotos bei der Polizei? Datenschutzgesetze
    4. Warum darf ich nicht bauen? Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
    5. Wer bespitzelte wen? Das Stasi-Unterlagen-Gesetz
    6. Brandschutz in Ordnung? Informationsfreiheitsgesetze der Länder

  3. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)
    1. Vorgeschichte
    2. Gesetz
    3. Kritik

  4. Drei Fallbeispiele zum IFG des Bundes
    1. Wer mischt mit bei Toll Collect? ABGELEHNT!
    2. Was wählen Wahlcomputer? ABGELEHNT!
    3. Was steckt hinter Hartz IV? ABGELEHNT!

  5. Tips für IFG-Anfragen

1. Von der Amtsverschwiegenheit zur Informationsfreiheit

Erkennen Sie folgende Floskeln wieder: „Darüber darf ich keine Auskunft geben.“ und „Warum wollen Sie das eigentlich wissen?“ oder „Da könnte ja jeder kommen.“ So wird man gewöhnlich bei Ämtern und Behörden begrüßt und zugleich verabschiedet, wenn man um Auskunft bittet. Nicht wenige Beamte verschanzen sich hinter der deutschen Tradition der sogenannten Amtsgverschwiegenheit.

a. Informationsfreiheit: Was?

Bereits am 5. November 1975 stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) konträr zum Phänomen der Amtsgverschwiegenheit fest:

„Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“

Informationsfreiheit im Sinne von staatlicher Transparenz ist also ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger eines Staates. Wo Transparenz und Bürgernähe in der Verwaltung fehlen, kann kein Vertrauen zwischen Bürger und Staat enstehen. Dies führt zu einem Defizit der der parlamentarische Demokratie.

Hinter dem Gedanken der Informationsfreiheit steckt die Überzeugung, daß Informationen, die in öffentlichen Stellen vorhanden sind, nicht der Behörde, sondern der Allgemeinheit gehören. Sie sollten deshalb auch öffentlich zugänglich sein.

Wo Informationsfreiheit in diesem Sinne besteht, hat jedermann das Recht auf einen voraussetzungslosen Zugang zu den Informationen, die in der öffentlichen Verwaltung vorhanden sind. Der Antrag auf Akteneinsicht muß also überhaupt nicht begründet werden; jedermann hat schlichtweg das Recht dazu. Verweigert eine Behörde die Auskunft, so ist sie ihrerseits stattdessen gezwungen, entsprechende Gründe anzugeben.

Der Staat wird schließlich durch die Bürger konstituiert und auch finanziert: Das Geld, das öffentliche Stellen verwalten und investieren, gehört daher letztlich den Bürgern. Deshalb sollten öffentliche Stellen dazu verpflichtet sein, ihren verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern jederzeit unter Beweis zu stellen und gewünschte Informationen offenzulegen.

b. Informationsfreiheit: Warum?

Von einem verbesserten Informationszugang gehen eine Reihe positiver Wirkungen aus, welche vor allem die demokratische Entwicklung insgesamt voranbringen:

  • Die Transparenz der Behörden dient der Begrenzung und Kontrolle staatlicher Informationsmacht und fördert bei den BürgerInnen eine aktive politische Mitgestaltung.
  • Die Informationsfreiheit fördert indirekt die Modernisierung und Entbürokratisierung. Denn nur eine effiziente Verwaltung kann die gewünschten Daten zeitnah übermitteln.
  • Informationsfreiheit dient wirtschaftlichen Interessen, da Unternehmen auf transparente Entscheidungsstrukturen angewiesen sind.
  • Transparenz beugt Korruption und Vetterwirtschaft vor.
  • Die Einsichtsmöglichkeit von Verwaltungsakten ermöglicht es, Versäumnisse und Fehler schneller zu entdecken und zu beseitigen.

Informationsfreiheit kann als komplementärer Bestandteil des im Volkszählungsurteil von 1983 garantierten Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung gesehen werden. Während Informationsfreiheit das Vertrauen des Bürgers in den Staat stärkt, repräsentiert der Datenschutz als deren Komplement das Vertrauen des Staates in seine Bürger.

c. Informationsfreiheit: Wo?

Am berühmtesten ist das Informationszugangsrecht von Schweden, da es als Pressefreiheitsgesetz bereits 1766 eingeführt worden ist. In der skandinavischen Monarchie dürfen damit seit über 200 Jahren alle offiziellen, d.h. registrierten Dokumente eingesehen werden.

Informationsfreiheit weltweit: grün = IFG verabschiedet, gelb = IFG geplant, grau = kein IFG

Die aktuelle Entwicklung der Informationsfreiheit in Europa wird maßgeblich durch gesamteuropäische Richtlinien und Entscheidungen bestimmt. So garantieren die Verträge von Amsterdam (1997) und Nizza (2002) das Recht auf freien Informationszugang zu den Dokumenten der Institutionen der europäischen Gemeinschaft.

Zudem bestimmt der Artikel 42 der europäischen Charta der Grundrechte [pdf] vom 7. Dezember 2000, dass jeder Unionsbürger und jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedsstaat ein Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission hat.

Am 21. Februar 2002 hat schließlich der Europarat eine Empfehlung veröffentlicht, Informationsfreiheitsgesetze in allen Mitgliedsstaaten zu verabschieden. Deutschland ist dieser Empfehlung mit dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 1. Januar 2006 nachgekommen.

2. Bisherige gesetzliche Regelungen in Deutschland

Bereits vor dem IFG des Bundes exisitierten in Deutschland verschiedene Regelungen im Sinne eines freien Informationszugangs. Diese waren jedoch entweder auf ein spezielles Sachgebiet, einzelne Institutionen oder Interessengruppen beschränkt. So dürfen Juristen im Zuge ihrer Ermittlungen Akten einsehen, die dem Normalbürger verschlossen bleiben.

a. Sauberes Trinkwasser? Das Umweltinformationsgesetz (UIG)

Das bundesdeutsche UIG wurde am 8. Juli 1994 in Umsetzung der Richtlinie EU-Richtlinie vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt erlassen. Mit dem UIG sollte die Umweltpolitik in Deutschland, aber auch in der Europäischen Gemeinschaft, demokratisiert und auf eine breitere Grundlage gestellt werden.

Auskunftspflichtig nach dem UIG sind neben den Behörden auch private Unternehmen, die öffentliche Aufgaben übernehmen und unter der Aufsicht von Behörden stehen. Dies betrifft zum Beispiel auch die örtliche Müllabfuhr: Wer also gern wissen will, wie die Müllgebühren berechnet werden oder wie sich die Abfallmengen in seiner Wohnumgebung entwickelt haben, kann sich auf das UIG berufen.

Die Zeitschrift Ökotest prüfte 1995, wie gut die deutschen Behörden das UIG umsetzen. Dazu verschickte das Magazin je zwei Briefe bezüglich Altlasten und Trinkwasserqualität an alle 445 Kreise und kreisfreie Städte der Republik. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur gut die Hälfte der 890 Anfragen wurde überhaupt beantwortet und nur 67 Auskünfte waren vollständig und kostenlos.

Grundsätzliches Problem waren unabhängig von den erteilten Auskünften die Frage der Gebühren. Die Meinungen darüber, was dem Fragesteller denn nun in Rechnung gestellt werden darf, gingen weit auseinander. Aus Sachsen kam die höchste Geldforderung. Das Landratsamt Döbeln kündigt 50 – 500 DM Gebühren für jede einzelne der 571 Altlastenverdachtsflächen an, für die sie Informationen heraussucht, das sind bis zu 285.000 DM.

Kritikpunkt hier ist vor allem die deutsche Umsetzung der europäischen Richtlinie: Das deutsche Recht erlaubt etwa im Gegensatz zum europäischen, auch für Informationsverweigerungen Geld zu verlangen. Zudem fordert das deutsche Recht kostendeckende Gebühren, während die EU von „angemessener Höhe“ spricht und Gebühren nicht einmal zwingend vorschreibt.

b. Giftige Nudeln? Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, daß Konsumenten erfahren können, welches Tier in der Wurst steckt, welche Konservierungstoffe im Käse, welche Pestizide im Gemüse oder ob Chemikalien in den Nudeln zu finden sind.

Doch dem ist in Deutschland ganz und gar nicht so. Bärbel Höhn, Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, zeigt mit dem Finger in die Wunde:

„Wir dürfen zwar sagen, was wir bei der Kontrolle von Abwässern des Chemiekonzerns Bayer gefunden haben, aber nicht, was wir in der Wurst entdeckt haben.“

Grund dieses Mißstandes: Die Lebensmittelüberwachungsämter, die regelmäßig Stichproben machen, dürfen ihre Untersuchungsergebnisse bisher nicht veröffentlichen, es sei denn, es besteht unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. So bleiben viele Verstöße unter Verschluß. So wurde etwa erst im Nachhinein bekannt, daß von den ca. 4000 Stichproben tierischer Lebensmittel in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1999 ein Viertel mangelhaft war.

Die Zurückhaltung der Ämter ist aber nicht unbegründet, wie ein Fall aus Baden-Württemberg aus dem Jahre 1991 zeigt. Damals hatten die Lebensmittelkontrolleure vor verunreinigten Nudeln gewarnt. Die Warnung hat sich im Nachhinein zum Glück als falsch herausgestellt. Daraufhin verklagte die Firma Birkel das Bundesland auf Schadensersatz. Ergebnis: 13 Millionen Mark wurden an Birkel überwiesen.

Um den Ämtern nun endlich die notwendigen Befugnisse zu geben, legte im November 2001 die damalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast die Eckpunkte eines entsprechenden Gesetzesentwurfs des VIG vor. Neben der Lebensmittelüberwachung waren zahlreiche weitere Informationsrechte geplant, etwa zu Giften in Kosmetika oder Arbeitsschutzstandard bei der Produktion.

Nachdem sich das Wirtschaftsministerium zahlreichen Protesten aus der Industrie gegenübersah, wurde der im Frühjahr 2002 veröffentlichte Entwurf deutlich entschärft. Nachdem das Gesetz den Bundestag passiert hatte, brachte es die CDU/CSU jedoch im Bundesrat zu Fall. Der jetztige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer hat nun erneut Anlauf genommen. Widerstand kommt bereits jetzt aus den eigenen Reihen.

c. Noch Fahndungsfotos bei der Polizei? Datenschutzgesetze

Das deutsche Datenschutzrecht wird maßgeblich durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) von 1983 bestimmt. In dem Urteil wurde erstmals in Deutschland das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt.

Bis 1990 wurden in allen Bundesländer und auch auf Bundesebene entsprechende Datenschutzgesetze verabschiedet. Der Aspekt der Informationsfreiheit beschränkt sich bei den Datenschutzgesetzen auf die mögliche Einsichtnahme in persönliche, bei öffentlichen Stellen gespeicherte Daten. Jede Behörde muß kostenlos Einblick gewähren und ist gegebenenfalls zur Löschung oder Korrektur verpflichtet.

So werden Ermittlungsakten bei der Polizei häufig über die gesetzliche Frist hinweg gespeichert. Oft führt erst eine entsprechende Anfrage über die eigenen dort gespeicherten Daten zur eigentlich obligatorischen Löschung.

d. Warum darf ich nicht bauen? Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)

Laut dem § 29 (Akteneinsicht durch Beteiligte) des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwFfG) haben Behörden den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist.

Sinn und Zweck des VwFfG ist es, das Wissensmonopol der Ämter und Behörden zu brechen. Ein übliches Beispiel ist die Einsichtnahme bei einem Antrag auf Baugenehmigung. Aber auch bei Asylverfahren kann eine Akteneinsicht unter Umständen weiterhelfen.

e. Wer bespitzelte wen? Das Stasi-Unterlagen-Gesetz

Das Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik regelt die Verwendung der Akten des Geheimdienstes der ehemaligen DDR. Jeder Einzelne hat demnach das Recht, Auskunft darüber zu verlangen, ob in den erschlossenen Unterlagen Informationen zu seiner Person enthalten sind. Ist das der Fall, kann er Auskunft, Einsicht in und Herausgabe von Unterlagen verlangen.

Die Unterlagen zu vermißten oder verstorbenen nahen Angehörigen sind nur für einen festgelegten Personenkreis und nur zu bestimmten Zwecken eingeschränkt zugänglich. Die Überprüfung von Personen auf eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst ist auf der Grundlage eines schriftlichen Ersuchens öffentlicher und nicht-öffentlicher Stellen möglich. Letztere Möglichkeit der Personenüberprüfung erlischt mit der Verjährungsfrist von 15 Jahren Ende 2006.

Seit 1991 haben weit über 2.2 Millionen Bürger persönlich Einsicht in ihre eigenen Stasi-Akten genommen. Über 1.7 Millionen Anträge auf Personenüberprüfungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wurde gestellt. Journalisten und Wissenschaftler machten über 17.000 mal Gebrauch vom Stasi-Unterlagen-Gesetz.

f. Brandschutz in Ordnung? Informationsfreiheitsgesetze der Länder

Auf Länderebene gilt Brandenburg als Vorreiter in Sachen Informationsfreiheit. Bereits in seiner Landesverfassung von 1992 garantiert es als bisher einziges Bundesland als Teil des Rechts auf politische Mitgestaltung ein Menschenrecht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der öffentlichen Verwaltung. Das zugehörige IFG wurde schließlich 1998 verabschiedet.

Es folgten im Jahre 1999 Berlin, 2000 Schleswig-Holstein und 2001 Nordrhein-Westfalen, sowie 2006 Hamburg. Im Vergleich zum den sachspezifischen Regelungen etwa des UIGs ermöglichen die IFGs der Bundesländer den Zugang nicht nur zu Umweltinformationen, sondern zu allen behördlichen Dokumenten – die jeweiligen Einschränkungen ausgenommen.

Die einzelnen Landesgesetze unterscheiden sich in einer Reihe von Details, etwa bei den Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung. Im Allgemeinen betrifft dies jeweils die Belange der Landesverteidigung und der Strafverfolgung, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, den Datenschutz sowie die Vertraulichkeit nicht abgeschlossener Behördenvorgänge.

Als Beispiel für die Wirkung der Ländergesetze sei der Fall einer besorgten Mutter genannt, die ihr Kind in eine neugebaute Schule einschulen lassen wollte. Weil es aber Gerüchte und Brandschutzmängel gab, bat sie die Gemeinde um Zugang zu den Protokollen der Brandschutzbegehung. Als sich die Gemeinde weigerte, wandte sie sich an den brandenburgischen Datenschutzbeauftragten und erhielt schließlich Einsicht in die gewünschten Akten.

3. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)

Bei der Schaffung des bundesweiten IFGs ist den Grünen eine Schlüsselrolle zuzubilligen. Mit der Bildung der rot-grünen Koalition im September 1998 wurde das Vorhaben dann erstmals in einen Koalitionsvertrag aufgenommen. Doch ehe es am 1. Januar 2006 endlich in Kraft treten konnte, war es noch ein steiniger Weg.

a. Vorgeschichte

Im Sommer 2001 veröffentlichte das federführende Bundesministerium des Inneren den ersten Gesetzesentwurf vom 20. Dezember 2000 im Internet und stellte ihn dort zur Diskussion. Schon diesem ersten Entwurf Hingen zahlreiche Mängel an: vielzählige Ausnahmeregelungen, keine Antwortfrist der Behörden und geplante Gebühren bis 500 Euro.

Im Sommer 2002 – gegen Ende der Legislaturperiode – wurde der zweite Entwurf diskutiert. Dieser fiel noch schwächer aus als der erste: Das Verteidigungsministerium wurde nun komplett ausgenommen und die Gebühren sollten laut Finanzministerium nicht nur angemessen, sondern auch kostendeckend sein. Schließlich kritisierte das Wirtschaftsministerium den Entwurf und verlangte ebenfalls Ausnahmeregelungen für den eigenen Bereich. Ergebnis: Die Grünen vertagten das Projekt auf die zweite Legislaturperiode.

Am 14. Dezember 2004 war es dann soweit: Die Fraktionen der rot-grünen Koalition brachten den dritten Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes in den Bundestag ein (Bundestagsdrucksache 15/4493). Nachdem der Entwurf den Weg durch den Innenausschuß genommen hatte, beschloß der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung mit den Stimmen der Regierungskoalition bei Enthaltung von FDP und PDS, gegen die Stimmen der CDU/CSU am 3. Juni 2005.

Im Gegensatz zur CDU/CSU, die das Gesetz für überflüssig und teilweise sogar riskant hielten, gingen den Vertretern der FDP und PDS der eingebrachte Entwurf nicht weit genug (Sitzungsprotokoll). Inkraftgetreten ist das IFG nach der Zustimmung des Bundesrates dann am 1. Januar 2006.

b. Gesetz

Das Gesetz gewährt jeder Person einen voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen der bundesdeutschen Behörden. Das heißt, daß eine gwünschte Akteneinsicht nicht begründet werden muß (§ 1). Unter einen ‚amtlichen Information‘ ist jede Aufzeichnung zu amtlichen Zwecken unabhängig von der Art ihrer Speicherung zu verstehen. Dazu gehören zum Beispiel auch Zeichnungen, Tonaufnahmen oder Fotografien (§ 2).

Dem Antrag ist innerhalb einer Frist von vier Wochen zu entsprechen (§ 7) . Die Frist verlängert sich, wenn die Belange Dritter durch das Auskunftsersuchen betroffen sind. Diese werden um Stellungnahme innerhalb eines Monats gebeten (§ 8). Auch die Ablehnung des Antrags hat in der Frist von vier Wochen zu erfolgen. Gegen die ablehnende Entscheidung kann Widerspruch oder Verpflichtungsklage eingereicht werden (§ 9).

Handelt es sich nicht um einfache Auskünfte, so werden Gebühren erhoben. Die Gebühren regelt im Einzelnen das Innenministerium mit Zustimmung des Bundesrat (§ 10). Hier bleibt unklar, ob die Höhe der Gebühren bloß angemessen oder sogar kostendeckend anzusetzen ist. Der Europarat hatte sich in seiner Empfehlung eindeutig für lediglich angemessene Gebührensätze ausgesprochen.

Weiterhin sind die Behörden verpflichtet, elektronisch zugängliche Verzeichnisse der zugänglichen Dokumente zu führen (§ 11). Zuständig für Rechtsverstöße gegen das IFG ist der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit. Diese Aufgabe wird vom Bundesbeauftragten für Datenschutz wahrgenommen (§ 12).

Wie Sie bereits bemerkt haben, haben wir die Paragraphen drei bis sechs ausgelassen. Diese enthalten die einzelnen Ausnahmeregelungen, die wir im Folgenden besprechen wollen.

c. Kritik

Seit dem 1. Januar 2006 gilt nun in Deutschland nicht mehr das stille Paradigma der Amtsverschwiegenheit, sonder der Grundsatz, daß die Gewährung von Zugang zu behördlichen Informationen die Regel ist und die Verwehrung die Ausnahme. Plakativ gesagt: Die Behörden dürfen den Bürger nicht mehr fragen: „Warum wolle Sie das eigentlich wissen?“ sondern der Bürger darf die Behörden fragen: „Warum darf ich das eigentlich nicht wissen?“.

Ungeachtet dessen schränken zahlreiche Ausnahmeregelungen diesen Paradigmenwechsel mehr oder minder stark ein: Ein Informationsanspruch besteht nach § 3 IFG daher nicht, wenn er nachteilige Auswirkungen hat auf:

  • internationale Beziehungen (Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen)
  • militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr und Belange der inneren oder äußeren Sicherheit (öffentliche Sicherheit)
  • Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden (insbesondere fiskalische Interessen des Bundes) sowie Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle und Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr
  • die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen.

Desweiteren bleibt das Berufs- und Amtsgeheimnis von Belangen der Informationsfreiheit unberührt. Auch sind Nachrichtendienste vom IFG ausgenommen. § 4 des IFG garantiert zudem den Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Nach dessen Abschluß muß der Antragsteller aber informiert werden.

Zugang zu personenbezogenen Daten darf nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluß des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Bezüglich Personalakten und Ähnlichem besteht kein Auskunftsrecht. Informationen über Namen und dienstliche Anschriften von Beschäftigten sind jedoch grundsätzlich zugänglich gemacht werden. Dasselbe gilt für Informationen zu Gutachtern und Sachverständigen (§ 5).

Schließlich besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Zugang zu Betrieinformationsfreiheitbs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat (§ 6).

Welche drastischen Auswirkungen diese Einschränkungen auf den praktischen Umgang mit dem Informationsfreiheitsgesetz haben, werden wir uns anhand von drei Beispielen anschauen. Sie bestärken die Kritiker des IFG, die in der aktuellen Fassung des Gesetzes nicht mehr als einen zahnlosen Tiger sehen.

4. Drei Fallbeispiele zum IFG des Bundes

Zur Illustration der Auswirkungen des bundesweiten IFG folgen nun drei Fallbeispiele, die exemplarisch für die engen Grenzen der neuen Informationsfreiheit stehen, denn: Alle drei Anträge zu Wahlcomputern, LKW-Maut und Hartz IV wurden abgelehnt.

a. Wer mischt mit bei Toll Collect? ABGELEHNT!

Bereits im ersten Quartal 2006 verlangten mehrere Antragsteller Einsicht in den Vertrag mit dem Konsortium Toll Collect, das das System zur Erhebung der Lkw-Maut betreibt. Diese Anfragen wurde mehrfach als repräsentativer Testfall für die Wirksamkeit des IFG bezeichnet.

Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat das Bundesverkehrsministerium im Mai alle Anträge abgelehnt. Das Ministerium begründete seine Entscheidung laut FAZ damit

„daß der Vertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalte, deren Bekanntwerden Toll Collect im Wettbewerb schaden und/oder die Sicherheit des Systems gefährden könne. Mangels Sachverstand sieht sich das Ministerium nicht dazu in der Lage, geheimhaltungsbedürftige Passagen zu schwärzen und die übrigen freizugeben. Es sei auch an eine generelle Vertraulichkeitsklausel gebunden, auf deren Einhaltung das Unternehmen Toll Collect bestehe.“

Das Verkehrsministerium beruft sich mit dieser Begründung auf § 3 (Schutz von besonderen öffentlichen Belangen) und § 6 (Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen) des IFG. Weiter verweist die Behörde auf „die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit der Rechtspflegeorgane“, die sie durch ein Veröffentlichung der Anträge gefährdet sieht. Hintergrund dieser Argumentation ist, so die FAZ, sei das gegenwärtig laufende Schiedsverfahren zwischen Bund und Toll Collect zu den Einnahmenverlusten in Milliardenhöhe, die durch die mehrfache Verzögerung der Mauteinführung verursacht worden war.

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, bezeichnete die Ablehnung als Katastrophe. Insbesondere sei es ein Armutszeugnis, wenn sich das zuständige Ministerium nicht in der Lage sehe, geheimhaltungsbedürftige Informationen von zugänglich zu machenden zu trennen.

Unter den Antragstellern fanden sich auch einige Bundestagsabgeordnete der Grünen sowie als wo prominentester IFG-Nutzer, der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss (SPD). Tauss hatte bereits Ende Dezember angekündigt, das IFG für die Einsicht in die Mautverträge in Anspruch zu nehmen. Tauss war einer der führenden Kritiker der Verhandlungen mit Toll Collect gewesen.

b. Was wählen Wahlcomputer? ABGELEHNT!

Auch die Anfrage von Richard Sietmann, Autor bei der Fachzeitschrift c’t, scheiterte. Richard Sietmann, journalistischer Experte auf dem Gebiete von Wahlmaschinen, forderte die vollständigen Prüfunterlagen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur Bauartzulassung eines Wahlcomputers des niederländischen Herstellers Nedap an.

Diese Wahlcomputer waren bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzt worden. Insgesamt gaben die Bürger von über 2000 Wahlbezirken ihre Stimme auf diese elektronische Weise ab. Der Einsatz solcher Maschinen wird in der Bundeswahlgeräteverordnung (BWahlGV) geregelt. Gemäß der BWahlGV müssen die Geräte von PTB geprüft werden, bevor sie bei Wahlen eingesetzt werden können. Sietmann begehrte nun Einblick in die Ergebnisse dieser Prüfung.

Die Herstellerfirma Nedap willigte zwar in die Freigabe des Prüfberichts ein, nicht jedoch in die Freigabe der 36 Anlagen. Genau diese 36 Anlagen bilden die Grundlage des Berichts. Die PTB verwiese in ihrem Ablehnungsbescheid jedoch auf den § 6 des IFG:

„Bei den im Anhang des Prüfberichts aufgeführten technischen Unterlagen, den Unterlagen zur Bedienung des Geräts, den Prüfdokumentationen und den ergänzenden Unterlagen zu den Prüfanforderungen handelt es sich ausnahmslos um Werke, die nach Paragraph 2 Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes geschützt sind […] Somit kann allein der Urheber entscheiden, ob und in welcher Weise diese Werke von anderen genutzt werden dürfen.“

Diese als Verweigerung der Herausgabe von Unterlagen zur Ablauf des Wahlvorganges zu deutende Haltung, gerät nun in Konflikt mit dem § 54 der Bundeswahlordnung (BWO). Dem danach sind Stimmerfassung und Auszählung grundsätzlich öffentlich, damit sich jeder Bürger von der korrekten Ablauf der Wahl überzeugen kann. Dies wird bei den genannten Wahlcomputern durch die Klausel des Urheberrechts des IFGs ausgehebelt.

c. Was steckt hinter Hartz IV? ABGELEHNT!

Als drittes und letztes Fallbeispiel sei das Ankunftsbegehren des Wuppertaler Sozialhilfe- und Erwerbslosenvereins Tacheles e.V. angeführt. Am 2. Januar 2006 hatte Tacheles einen IFG-Antrag auf Herausgabe der internen Dienstanweisungen zur Auslegung des Arbeitslosengeld und der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II) gestellt.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte auf die Anfrage von Tacheles zuerst erklärt, die Dokumente im Internet zu veröffentlichen. Dies sei laut BA bis jetzt wegen technischer Probleme nicht möglich gewesen. Tacheles bezeichnet dieses Verhalten der BA als vorsätzliche Verzögerungstaktik.

Nachdem die IFG-Frist von vier Wochen deutlich überschritten wurde, erhob Tacheles am 19. April Klage gegen die BA. Eine Entscheidung steht noch aus.

5. Tips für IFG-Anfragen

Zum Schluß möchten wir Ihnen noch einige Hinweise für die Auskunftsersuchen im Sinne des IFG geben. Wir haben dazu ein paar Regeln für Sie formuliert:

Regel 1: Begründe Deinen Antrag nicht!

Wie bereits erwähnt, gewährt das IFG grundsätzlich jeder Person Zugang zu amtlichen Informationen. Der Antragsteller muß dabei keinen besonderen Grund angeben. Das allgemeine Interesse an der Sache allein reicht als Grund.

Regel 2: Sei präzise!

Der Antrag führt schneller zum Erfolg, wenn er möglichst präzise formuliert ist und die gewünschten Unterlagen genau aufgeführt sind. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang die entsprechenden Verzeichnisse der Ämter und Behörden (IFG, § 11). Ist die genaue Benennung etwa aufgrund fehlender Informationen nicht möglich, ist die Behörde zur Mithilfe verpflichtet.

Regel 3: Ein Anruf genügt!

Ihr Antrag auf Aktenauskunft bedarf keiner besonderen Form. Sie müssen also nicht unbedingt einen Brief an die Behörde schreiben. Es genügt auch ein Fax, eine Email oder ein Anruf. Die Schriftform ermöglicht es Ihnen jedoch, den Antrag für eventuelle Streitfälle aufzubewahren.

Regel 4: Ablehungen müssen begründet werden!

Der Antrag sollte einen Hinweis darauf enthalten, daß Sie im Falle einer Ablehnung eine rechtsmittelfähige Begründung erwarten. Gegen den Bescheid können Sie damit nach § 9 des IFG Widerspruch oder Verpflichtungsklage einreichen.

Regel 5: Verlange einen Gebührenbescheid!

Wiederholt ist von exorbitanten Rechnungen zu hören gewesen. So waren die Rede von fünf Euro für eine Farbkopie und von saftigen Gebühren beim Auswärtigen Amt. Fordern Sie daher einen entsprechenden Bescheid über die zu erwartenden Kosten an. Für einfache Auskünfte darf keine Gebühr erhoben werden.

Regel 6: Laß Dich beraten!

Der Datenschutzbeauftragte des Bundes (BfD) ist zugleich auch der Beauftragte für Informationsfreiheit. Gibt es Schwierigkeiten bei Ihrem Ersuchen, wenden Sie sich vertrauensvoll an den BfDI. Und übrigens: Einen entsprechenden IFG-Musterantrag finden Sie auf dem Portal Befreite Dokumente.

 Autor: Peter Ulber
 Veröffentlichung: 4. Juni 2006
 Kategorie: Bericht
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