„Gesperrte“ Accounts und „Shadowban“ – wie Verschwörungstheorien um Zensur entstehen

Vergangene Woche gab es zwei große Aufreger um Twitter: Zum einen wirkte es so, als sei der Bürgerrechtler und Piraten-Politiker Patrick Breyer gesperrt worden, zum anderen beschweren sich User, dass ihre Inhalte über die Suche nicht auffindbar sind. Zwei Beispiele, wie Verschwörungstheorien entstehen können und wie sie verhindert bzw. entlarvt werden können.

Patrick Breyer, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Piraten im schleswig-holsteinischen Landtag, hat seinen Twitter-Account gelöscht. Er hat das selbst veranlasst, allerdings zunächst im Stillen. In der Folge kam es zu einiger Aufregung in den Sozialen Netzwerken, weil nur noch die Meldung erschien, dass der Account gesperrt sein.

Sperrmeldung auf deutsch und englisch.

Weil am vergangenen das NetzDG im Bundestag beschlossen wurde, dachten einige, dass es sich um eine von Twitter veranlasste Sperrung handele. Auch die verlinkte Seite weist nicht darauf hin, dass der User eventuell selbst seinen Account deaktiviert haben könnte.

Da Twitter wirklich Benutzerkonten sperrt, kann jetzt eine beliebige Gruppe sich als benachteiligt und diskriminiert darstellen, indem einige aus dieser Gruppe ihre Accounts löschen – die Verschwörungstheorie nähme ihren Lauf. Gerade weil es gerade Aufregung um anscheinend gesperrte Accounts aus dem rechtsextremen und ausländerfeindlichen Milieu kommt, keine unwahrscheinliche Taktik.

Hier wäre es ganz einfach gewesen, die Verschwörungstheorie zu verhindern: Twitter müsste die Fehlermeldung anpassen, um auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass der User auch selbst seinen Account deaktiviert hat.

Vermeintliches Shadowbanning

Unter „Shadowbanning“ wird verstanden, dass User zwar beliebige Inhalte posten können, diese aber nicht über Standard-Mechanismen für andere sichtbar sind, z.B. weil sie nicht in Suchergebnissen auftauchen. Das ist eine perfide Methode, weil User selbst nichts davon erfahren.

Nach Berichten von Usern führt Twitter das durch, es gibt auch eine Testwebsite für dieses Phänomen. Twitter selbst behauptet, dass es ein technisches Problem mit ihrem Spam-Filter sei.

Handelt es sich um ein tatsächlich gewolltes Shadowbanning oder ein technisches Problem – möglich wäre schließlich beides?

Hier kann man an die Verschwörungstheorie mit Ockhams Rasiermesser herangehen. Welche der beiden Möglichkeiten ist die wahrscheinlichere? Für mich wirkt die Erklärung mit dem technischen Problem plausibler: Wenn Twitter User und Inhalte gesperrt hat, dann wurde das bisher transparent kommuniziert, z.b. Accounts, deren Posts in bestimmten Ländern nicht angezeigt werden. Hier kann sogar noch die spaßigere Formulierung des Prinzips als Hanlon’s Razor verwendet werden: Was sich mit Inkompetenz beschreiben lässt, ist wahrscheinlich nicht Willkür. Spam-Filter sind eine schwer lösbare Aufgabe für Programmierer, ebenso performante Volltext-Suche. Beide Probleme sind hier angesprochen, also eher „Inkompetenz“ (ohne das auf die Qualität der Programmierer münzen zu wollen).

 Autor: Thomas Mayer
 Veröffentlichung: 4. Juli 2017
 Kategorie: Miniwahr
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